Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
kam mit erhobenem Klappmesser auf sie zu.
„Die Polizei … ist hier!“ Sie schnappte nach Atem. „Hauen Sie ab!“ Das Telefon hatte sie verloren, die Handtasche mit dem Pfefferspray lag sonst wo. Sie wünschte sich, Fire wäre bei ihr, doch er wäre im Kampf verletzt worden, es war besser, wie es war. Sie hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe Geld.“ Ihre Stimme bebte. „Sie können es haben, alles!“ Er blieb stehen und entblößte die verfaulten Zähne. Eine Chance verblieb ihr. „Ich hab 500 hier, 25.000 sofort auf dem Konto, ähm und … und wenn das nicht reicht, kann ich noch das Doppelte mit einem Kredit drauflegen.“
Er legte die verdreckte Stirn in Falten, rieb sich die Schläfen.
„Bitte.“
Ein Ruck ging durch den Mann, er hob den Wurfarm und schleuderte das Messer mit ganzer Kraft auf ihren Oberkörper. Der Hintergrund erhellte sich grell, Cira war geblendet. Gleichzeitig barst die Fensterfront in Millionen von funkelnden Glassplittern und ein Brüllen erfüllte das Zimmer, das alle anderen Geräusche übertönte. Ein schwarzer Blitz flog vor ihren erstarrten Leib. In Erwartung des Todes sank sie an der Wand hinab. Sie schnappte nach Luft. Die Schwärze verwandelte sich vor ihrem schweißgetrübten Blick zu einem Ledermantel, der mit einem Satz nach vorn den Landstreicher zu Boden streckte und sich sofort zu ihr umwandte.
Sie öffnete die zitternden Lippen, ein Schluchzen atmete sich ins Freie, sie konnte es kaum glauben. Ihr Herz begriff zuerst, dass Jonas vor ihr stand. Seine ungewöhnlich zu Schlitzen verengten Pupillen in den jadegrünen Augen, die wild vor Sorge und Wut brannten, jagten ihr keine Angst mehr ein. Dieser Mann war ein außergewöhnlicher Kämpfer, tödlich, aber ihr würde er nichts tun. Sie wusste es einfach, ohne darüber nachzudenken, was ihr in dem verwirrten Zustand ohnehin nicht geglückt wäre. Wie viel Kraft sie auch in ihm sah, er würde sie niemals gegen sie einsetzen. Der vor ihr aufragende Körper, stark wie ein Fels, die Muskeln angespannt wie die Sehnen an seinem Hals, war ein Geschenk des Himmels, der sie beschützte.
Ein dumpfes Geräusch ließ sie herumfahren und zur Seite weichen. Sie hatte erwartet, die Frau zu sehen, die sie aus dem Hinterhalt angreifen wollte, doch in der Tür zum Flur stand ein großer, kräftiger Farbiger. Sein schwarzer Ledermantel schimmerte bei jeder Bewegung silbern. Die in kleine Abschnitte rasierten Augenbrauen waren fragend oder böse über der Sonnenbrille zusammengekniffen, während die Glatze sich immer tiefer in ihre Richtung auf dem Fußboden beugte.
Cira bekam keine Luft. Ihr Blick richtete sich starr auf den Unbekannten, der ihr zwar nichts tat, aber sicherlich hätte tunkönnen. Er strahlte dieselbe Gefahr aus wie Baker. Ein düsteres Knurren ließ ihre Aufmerksamkeit und die des Farbigen sich Jonas zuwenden. Sie konnte es kaum glauben. Er zog sich das Klappmesser mit einem Ruck aus dem Bauch, ohne hinzuschauen. Stattdessen regte er sich wohl über das Benehmen seines offensichtlichen Kumpels auf, der sich sogleich ein paar Schritte von ihr zurückzog.
Cira fehlten die Worte. Rational gesehen war dies der dritte Anschlag auf sie, den zudem Jonas vereitelt hatte. Daran gab es keinen Zweifel. Nur warum? Wer wollte was von ihr und aus welchem Grund schützte Jonas sie?
Er neigte sich vor ihr herunter und ging in die Hocke. Ihr Körper, egal wie ausgelaugt, geschunden oder verletzt, reagierte sofort auf die Nähe. Sicherlich stand sie unter einer Art Schock. Von Dankbarkeit durchflutet überfielen sie heiße Wellen der Begierde, die ihren Atem beschleunigten. Er schien es sich anders zu überlegen, ihr seine Hand anzubieten und stützte die Unterarme auf die Knie.
„Cira. Alles in Ordnung mit dir?“
Nuschelte er? „Aber …“ Hilflos und wirr im Kopf zeigte sie auf seinen Bauch.
„Ach, das ist nichts. Ist nicht tief durchs Leder gedrungen. Um dich mache ich mir Sorgen.“
„Oh!“ Wie wäre es jetzt mit einer anständigen Konversation? Sie verhielt sich in seiner Gegenwart wie eine Zwölfjährige. Konnte sie nicht ein Mal alles von sich schieben, was sie nicht verstand? Wie er zum Beispiel durch die Fensterfront hatte kommen können, obwohl dort weder Balkon war noch Fensterputzer sich zurzeit im fünften Stock aufhielten. Ohne sich scheinbar zu verletzen und … Sie stützte sich mit den Handflächen an der Wand ab und rappelte sich auf. Jonas sowie der andere hielten in einer Vorwärtsbewegung inne.
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