Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
hat meine Schwester entjungfert!“
Ups. Er brauchte eine Weile, um die achterbahnfahrenden Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Jetzt wusste er zumindest, weshalb dieser Kerl ihm feindlich gesinnt gegenübertrat und warum die Familie auf einen Besuch der Bakers getrost verzichten konnte. Andererseits verstand er Alexander. Hätte er seine Blutgier nicht hundert Jahre lang eisern kontrolliert, wäre er ohne mit der Wimper zu zucken über Josephine hergefallen und hätte ihr weiß Gott nicht nur die Jungfräulichkeit gestohlen. Was hatte die hübsche Vampirin bloß zu ihm getrieben? Aus welchem Grund hatte sie sich ihm dargeboten? Jonas kniff die Lider fester zusammen, um die Sonne ein wenig abzuschirmen. Es ging nicht um ihn, sondern um seinen Bruder. Er begriff nicht, wieso Alexander Josephine nicht mehr wollte, wo er ihr schon so nahegekommen war und derart intensiv auf sie reagierte. Seine Gefühle hatten sich benommen, als hätte er sich bereits mit ihr vereint. Er ahnte, dass die Antwort auf der Hand lag, aber er bekam sie nicht zu fassen. Er sah Timothy in das versteinerte Gesicht, er beobachtete ihn scharf. „Sie lieben sich.“
„Er hat sie geraubt und vergewaltigt. Er wird sie nie wiedersehen.“
„Wir sind beide Oberhäupter, du brauchst mir nicht zu sagen, was die alten Gesetze fordern“, konterte Jonas, „doch ich weiß zufällig, dass Alexander Josephine nicht ins Bett gezerrt hat. Sie ging freiwillig.“
Timothy sprang auf. Der Stuhl flog zig Yards ins Gestrüpp, das die Terrasse umsäumte. Timothy schritt mit geballten Fäusten auf und ab. „Ich akzeptiere deinen Deal nicht. Niemand wird dir glauben, dass Jose reinen Blutes ist, da sie gar nicht existiert.“
Jonas schwieg. Er hatte recht, jemand hatte gründlich alle Beweise ihrer Existenz vernichtet. Ob Timothy das getan hatte?
Plötzlich stand das wutentbrannte Gesicht des Vampirs keine Handbreit vor seinem, heißer Atem und die Wucht von ausgeschüttetem Adrenalin umhüllten ihn. Der Blonde bleckte die Reißzähne, fast zu wütend, um zu sprechen. „Es gibt nur eine logische Erklärung, wie du dir so sicher sein kannst, dass Jose eine Reinblüterin ist. Du hast von ihr getrunken und dafür werde ich dich umbringen.“
Jonas sah ihm unverwandt in die blauen Augen, die vor schwarzem Feuer wie dunkle Löcher wirkten, das Abbild der Seele, des jetzigen Augenblicks und schüttelte ruhig den Kopf. „Ich bin kein Tribor. Nicht mehr, seit einhundert Jahren.“
Timothy wich ein wenig vor ihm zurück. Die Muskeln des Kolosses arbeiteten, wie sein Kiefer, der geräuschvoll knackte, während er sich ruckartig umdrehte und durch die Terrassentür ins Innere des Hauses trat.
Jonas wartete einen Moment, dann folgte er Timothy in das angenehm kühle Landhaus der Fontaines. Er stand in einem Wohnzimmer, das anspruchslos, aber gemütlich und praktisch eingerichtet war. Es erinnerte ihn eher an eine Junggesellenbude als an den Salon einer Reinblüterin wie Elena-Joyce Fontaine. Sein Blick erfasste jede Einzelheit binnen Sekunden, auch, dass er ein bisschen Eindruck bei dem Oberhaupt geschunden hatte. Es gab nur eine geringe Anzahl Reinblüter, die es schafften, sich dem unerbittlichen Sog des Blutes zu entziehen. Wenn Timothy sich dessen bewusst war, entsprach er nicht dem gängigen Klischee: Viele Muskeln, wenig Hirn. Was er bisher ohnehin nicht vermutete.
„Scotch mit Eis, was anderes kann ich dir nicht bieten.“
„Perfekt.“
Er drückte ihm ein volles Glas in die Hand und stürzte seinen Drink hinunter, bevor Jonas’ Finger das Wasserglas umschlossen. Seine Intuition hatte ihm suggeriert, bei den Fontaines einen Hinweis auf die Ungereimtheiten zu finden und es erschütterte ihn, was er tatsächlich vorfand.
„So, zum wiederholten Male, Jose ist nicht zu haben. Für niemanden. Ich bin den Gepflogenheiten unserer Gastfreundschaft gefolgt, du hattest deine Audienz, einen Drink. Bitte habe die Güte, unser Grundstück zu verlassen und dich nicht nochmals blicken zu lassen.“
Jonas schwenkte die Flüssigkeit und nahm einen kleinen Schluck, während er langsam nickte. „Ich werde gehen und euch nie wieder belästigen.“ Seine Gabe empfing eine Welle Erleichterung. „Aber es gibt noch ein paar Dinge, die ich dir sagen möchte.“ Er leerte das Glas und sah seinem Gegenüber erneut fest in die Augen. „Deine Schwester ist eine reinblütige, wunderschöne Frau.“ Timothys Leib spannte sich sprungbereit an und ein dumpfes Grollen erfüllte
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