Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
heiraten, aber es gibt niemanden,
den ich will. Ket sagt mir immer wieder, dass ich bei einer der Versammlungen jemanden kennenlernen werde, aber das glaube ich nicht.« Sie schauderte. »Unheimlich – mich fröstelt plötzlich. Die Alte Mutter sagt, sie könne mein Schicksal nicht sehen. Sie tut so, als sei das kein Grund zur Sorge, aber ich weiß, dass sie sich Sorgen macht. Das ist der Grund, warum sie will, dass ich Schamanin werde, damit ich mich wehren kann, falls die Geister etwas Abscheuliches mit mir vorhaben.«
Paul sagte: »Hannah – hm, lass uns einfach sicherstellen, dass wir dich da herausholen können, in Ordnung? Du weißt schon, für den Fall, dass das notwendig werden sollte. Also, wenn ich in die Hände klatsche, wirst du vollkommen erfrischt aufwachen. Verstanden? Ja?«
»Ich heiße Hana.« Es wurde ein klein wenig anders ausgesprochen: Hah-na. » Und ich bin bereits wach. Ket lacht mich aus. Sie fädelt die Zähne auf eine Sehne. Sie sagt, ich würde Tagträumen nachhängen. Sie hat recht; ich habe diesen Zahn mit meinem Stichel kaputt gemacht.«
»Wenn ich in die Hände klatsche, wirst du aufwachen. Wenn ich in die Hände klatsche, wirst du aufwachen. Du wirst Hannah Snow in Montana sein.« Ein Klatschen. »Hannah, wie fühlst du dich?« Ein weiteres Klatschen. »Hannah? Hannah?«
»Ich heiße Hana. Hana von den Flussleuten. Und ich weiß nicht, wovon du sprichst; ich kann nicht jemand anderer
sein.« Sie versteifte sich. »Moment – irgendetwas passiert. Vom Fluss herauf ist etwas zu hören. Irgendetwas ist da im Gange.«
Die Stimme war verzweifelt. »Wenn ich in die Hände klatsche …«
»Scht. Sei still.« Irgendetwas geschah, und sie musste es sehen, sie musste es wissen. Sie musste aufstehen …
Hana von den Drei Flüssen stand auf.
»Am Fluss sind alle ganz aufgeregt«, sagte sie zu Ket.
»Vielleicht ist Ran ins Wasser gefallen«, meinte Ket. »Nein, das ist zu viel gehofft. Hana, was soll ich tun? Er will sich mit mir paaren, aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Ich möchte jemand Interessanten, jemanden, der anders ist …« Sie hielt die halbfertige Kette hoch. »Also, was denkst du?«
Hana würdigte sie kaum eines Blickes. Ket sah wundervoll aus mit ihrem kurzen, dunklen Haar, den leuchtenden, schräg stehenden grünen Augen und ihrem rätselhaften Lächeln. Die Kette war hübsch; rote Perlen wechselten sich mit zierlichen, milchweißen Zähnen ab. »Gut, schön. Du wirst bei der Versammlung jedes Herz brechen. Ich gehe jetzt zum Fluss hinunter.«
Ket legte die Kette weg. »Hm, wenn du darauf bestehst – warte auf mich.«
Der Fluss war breit und floss schnell, und er war bedeckt von kleinen Wellen mit weißen Gischtkronen, weil
ihn hier zwei Nebenflüsse speisten. Hanas Stamm lebte länger in den Kalksteinhöhlen bei den Drei Flüssen, als irgendjemand sich erinnern konnte.
Ket war hinter ihr, als Hana sich durch frische grüne Rohrkolben einen Weg zur Biegung des Flusses bahnte. Und dann sah sie, was den Aufruhr ausgelöst hatte.
Im Ried, an dem von Gräsern bewachsenen Uferrand des Flusses, hockte ein Fremder. Das war aufregend genug – Fremde kamen nicht sehr häufig her. Aber dieser Fremde war anders als jeder Mann, den Hana je gesehen hatte.
»Er ist ein Dämon«, flüsterte Ket voller Ehrfurcht.
Es war ein junger Mann – ein Junge, der nur wenige Jahre älter war als Hana selbst. Unter anderen Umständen wäre er vielleicht attraktiv gewesen. Sein Haar war von einem sehr hellen Blond, heller als das trockene Gras der Steppe. Sein Gesicht war gut geschnitten; sein hochgewachsener Körper war geschmeidig. Hana konnte fast alles von diesem Körper sehen, weil er nur ein kurzes, ledernes Lendentuch trug. Das störte sie an sich nicht; alle waren im Sommer nackt, wenn es heiß genug war. Aber jetzt war nicht Sommer; es war Frühling, und die Tage konnten noch immer kühl sein. Kein Mensch, der bei klarem Verstand war, würde ohne Kleider reisen.
Aber das war es nicht, was Hana erschreckte, sodass sie erstarrt dastand und ihr Herz so heftig hämmerte, dass sie kaum noch atmen konnte. Es war der Rest der Erscheinung
des Jungen. Ket hatte recht – er war offenkundig ein Dämon.
Mit seinen Augen stimmte etwas nicht. Sie hatten mehr Ähnlichkeit mit denen eines Luchses oder Vielfraßes als mit menschlichen Augen. Sie schienen das helle Sonnenlicht zurückzuwerfen, wenn man in sie hineinschaute. Aber die Augen waren nichts im Vergleich zu den Zähnen.
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