Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
kindisch – wenn er seinen Willen nicht bekommt, wird er einfach einen Wutanfall kriegen.«
»Und bekommt er ihn häufig – einen Wutanfall?«
»Bedauerlicherweise ständig.«
Ich glaube dir nicht.
Dieser Gedanke durchzuckte Hannah ganz plötzlich. Sie wusste nicht, woher er kam, aber sie konnte ihn nicht ignorieren. Irgendetwas an diesem Mädchen störte sie, etwas, das sich anfühlte wie ein klebriger Stein zwischen den Fingern. Etwas, das sich wie eine Lüge anfühlte.
»Wer bist du?«, fragte sie direkt. Als das Mädchen den Blick hob – jetzt hatten die Augen die Farbe von gebrannter Siena – hielt sie seinem Blick stand. »Ich meine, warum interessierst du dich so sehr für mich? Warum bist du überhaupt hier, in Montana, wo ich lebe? Ist das nur ein Zufall?«
»Natürlich nicht. Ich bin gekommen, weil ich wusste, dass er dich in Kürze wiederfinden würde. Ich interessiere
mich für dich, weil – nun, ich kenne Thierry seit seiner Kindheit, bevor er ein Vampir wurde, und ich verspüre eine gewisse Verpflichtung, ihn aufzuhalten.« Sie lächelte und sah Hannah unbefangen in die Augen. »Und mein Name … ist Maya.«
Die letzten Worte sprach das Mädchen betont langsam aus und es schien Hannah dabei genau zu beobachten. Aber der Name sagte Hannah gar nichts. Und Hannah konnte einfach nicht mit Sicherheit feststellen, ob dieses Mädchen namens Maya log oder nicht.
»Ich weiß, dass du mich schon einmal vor Thierry gewarnt hast«, erklärte sie, während sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. »Ich erinnere mich an nichts Konkretes, nur daran, dass du es mir gesagt hast. Ich weiß nicht einmal, was du bist – ich meine, bist du jemand, der wiedergeboren worden ist wie ich? Oder bist du …?« Sie ließ die Frage offen. Tatsächlich wusste sie, dass Maya kein Mensch war; kein Mensch besaß solch unheimliche Schönheit oder übernatürliche Anmut. Wenn Maya behauptete, ein Mensch zu sein, würde Hannah mit Bestimmtheit wissen, dass es eine Täuschung war.
»Ich bin ein Vampir«, antwortete Maya gelassen und ohne zu zögern. »Ich habe zu der Zeit, als du beim Stamm von den Drei Flüssen gelebt hast, bei Thierrys Stamm gelebt. Tatsächlich bin ich diejenige, die ihn zum Vampir gemacht hat. Ich hätte es nicht tun sollen; mir hätte klar sein müssen, dass er einer von denen war, die
damit nicht fertig werden können. Aber ich wusste nicht, dass er verrückt und zu dem werden würde … was er ist.« Sie schaute ins Leere. »Ich nehme an, deshalb fühle ich mich für ihn verantwortlich«, beendete sie ihre Erklärung leise. Dann sah sie Hannah wieder an. »Hast du noch mehr Fragen?«
»Hunderte«, antwortete Hannah. »Was die Nachtwelt betrifft und die Frage, was in meinen früheren Leben mit mir geschehen ist …«
»Und ich fürchte, ich werde die meisten deiner Fragen nicht beantworten können. Es gibt Regeln, die es verbieten, über die Nachtwelt zu sprechen – außerdem ist es sicherer für dich, wenn du nichts davon weißt. Was deine früheren Leben betrifft, nun, du willst nicht wirklich wissen, was er dir jedes Mal angetan hat, oder? Es ist zu schrecklich.« Sie beugte sich vor und sah Hannah ernst an. »Du solltest die Vergangenheit jetzt hinter dir lassen und all das vergessen. Versuch, eine glückliche Zukunft zu haben.«
Es war genau das, wozu Hannah sich bereits zuvor entschlossen hatte. Warum also war ihr jetzt danach zumute, dagegen zu protestieren? Sie wog verschiedene Antworten ab und sagte schließlich: »Wenn er mich unbedingt töten will, warum hat er es dann letzte Nacht nicht getan? Statt mit mir zu reden.«
»Oh, meine Liebe.« Ihr Tonfall war leicht herablassend, wirkte aber dennoch von ehrlichem Mitleid erfüllt.
»Er will, dass du ihn vorher liebst, und dann tötet er dich. Ich weiß, es ist krank, es ist verdorben, aber so ist er eben. Er scheint zu denken, dass es so sein müsse, da es beim ersten Mal so war. Er ist besessen.«
Hannah schwieg. Nichts in ihr rebellierte gegen diese Behauptung oder wollte sagen, dass dies eine Lüge war. Die Vorstellung, dass Thierry besessen war, schien durchaus plausibel. Schließlich antwortete sie langsam: »Danke, dass du hergekommen bist, um mich zu warnen. Ich weiß es zu schätzen.«
»Nein, das tust du nicht«, widersprach Maya. »Ich würde es auch nicht tun, wenn jemand käme und mir Dinge erzählte, die ich nicht hören will. Aber eines Tages wirst du mir vielleicht danken.« Sie stand auf. »Ich hoffe, wir werden uns nicht
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