Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
Schienbein und wirbelte herum, als er zurückprallte.
Der Schreibtisch! Du brauchst noch eine Waffe!
Noch während die Stimme ihr das sagte, streckte Hannah die Hand aus und raffte eine Handvoll Kugelschreiber und Bleistifte zusammen. Gott sei gedankt für ihre Angewohnheit, Bleistifte zu verlieren, was der Grund war, warum sie so viele davon hatte. Sobald sie sie in der Hand hielt, drehte sie sich um und rannte durch den Raum, bis sie mit dem Rücken vor einer Wand stand. Keuchend sah sie Thierry an.
»Der nächste bohrt sich dir direkt ins Herz«, sagte sie, zog einen Bleistift hervor und hielt ihn in der Faust umklammert. Ihre Stimme war leise und atemlos, aber von absolut tödlicher Überzeugung.
»Du hast mich verletzt!« Thierry hatte den Bleistift herausgezogen und starrte die Wunde an. Sein Gesicht war verzerrt und aus seinen Augen loderten animalischer Schmerz und Zorn. Er sah aus wie ein Fremder.
»Richtig«, erwiderte Hannah keuchend. »Und wenn
du noch einmal in meine Nähe kommst, werde ich dich töten. Das ist ein Versprechen. Jetzt mach, dass du aus meinem Haus und meinem Leben kommst!«
Thierry starrte zwischen ihr und seiner Hand hin und her. Dann knurrte er – er knurrte wirklich, zog die Oberlippe hoch und bleckte die Zähne. Hannah hatte noch nie ein menschliches Gesicht von solcher Bestialität gesehen.
»Das wird dir leidtun«, sagte er wie ein Kind, das einen Wutanfall hatte. »Und wenn du irgendjemandem davon erzählst, werde ich ihn töten. Ich werde es tun. Das ist das Gesetz der Nachtwelt.«
Dann war er plötzlich verschwunden. Hannah blinzelte einmal und er war nicht mehr da. Er musste durch den Flur gegangen sein, aber sie hörte keine Tür, die geöffnet oder geschlossen wurde.
Es vergingen mehrere Minuten, bis sie ihren Griff um den Bleistift lösen oder von der Wand wegtreten konnte. Als sie endlich dazu in der Lage war, stolperte sie zum Telefon hinüber. Sie gab die Kurzwahlnummer für Chess ein.
Besetzt.
Hannah ließ das Telefon fallen. Sie taumelte, ihr war übel und schwindlig, aber sie ging ins Esszimmer. Dort sicherte eine hölzerne Stange eines der Fenster – der Überrest eines lange der Vergangenheit angehörenden Sicherheitswahns ihrer Mutter. Hannah zerbrach sie über dem
Knie und ging mit der einen Hälfte mit gesplittertem Ende in die Garage.
Der staubige alte Ford stand dort, der Wagen, den ihr Vater vor seinem Tod gefahren hatte. Hannah fand die Schlüssel dazu und machte sich auf den Weg zu Chess’ Haus. Sie konnte nur noch an eines denken: Sie wollte nicht allein sein.
Während der Fahrt tanzten ihr graue Punkte vor den Augen. Sie stellte sich immer wieder vor, dass etwas aus der Prärie heraus auf sie zugestürzt käme.
Bleib wach. Bleib einfach wach, sagte sie sich und biss sich so heftig auf die Unterlippe, dass Blut floss.
Da! Da ist das Haus. Du kannst das Licht sehen. Du brauchst nur noch dort anzukommen.
Sie trat aufs Gaspedal. Und dann wurde alles um sie herum grau.
Thierry sah sich in der Lobby des Hotels um, dann schaute er auf seine Armbanduhr. Das hatte er während der letzten zwölf Stunden alle fünf Minuten getan und langsam lagen seine Nerven blank.
Es gefiel ihm nicht, Hannah allein zu lassen. Natürlich würde der Ring sie beschützen, wenn sie sich vom Haus entfernte, und das Amulett, das er in ihrem Garten vergraben hatte, würde das Haus selbst beschützen. Es war ein starkes Amulett, das Grandma Harman für ihn gemacht hatte, die älteste und mächtigste Hexe auf der
Welt, die Alte des Inneren Kreises. Es umgab das Haus mit Zaubern, sodass kein Geschöpf der Nachtwelt es betreten konnte, ohne eine direkte Einladung von jemandem, der dort lebte, zu bekommen.
Es gefiel ihm trotzdem nicht, Hannah allein zu lassen.
Nur noch für kurze Zeit, sagte er sich. Er hatte fast die ganze Nacht und den gesamten heutigen Tag gebraucht, um genug von seinen eigenen Leuten zusammenzutrommeln und einen Plan aufzustellen. Sie würden abwechselnd Hannah bewachen.
Sie hatte ihn weggeschickt und er war gegangen. Ihr Wort war für ihn Gesetz. Aber das bedeutete nicht, dass er sie nicht bewachen konnte. Sie brauchte niemals zu bemerken, dass Geschöpfe der Nachtwelt um sie herum waren, die sie beobachteten und in der Dunkelheit warteten – und die bereit waren, bis zum Tod zu kämpfen, sollte irgendeine Gefahr auftauchen.
Lupe hatte recht gehabt. Er konnte nicht allein damit fertig werden. Und jetzt würde er sich auf andere Leute verlassen
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