Night World - Prinz des Schattenreichs - Night World - Black Dawn
musste. Es kam ihr so vor, als seien hundert Jahre vergangen, seit sie zu seinem Felsvorsprung hinaufgeklettert war, aber tatsächlich hatte sich anschließend alles sehr schnell entwickelt.
»Ich muss trotzdem gehen«, erwiderte sie ein wenig ruhiger. »Sie ist krank. Und vielleicht ist Gavin zurückgekommen.« Bei diesem Gedanken schlug eine Woge der Furcht über ihr zusammen.
»Wenn sie dich fangen, wirst du wünschen, du wärst tot«, sagte er sehr deutlich. Bevor Maggie antworten konnte, fuhr er in seinem schroffen Tonfall fort: »Bleib hier. Komm nicht heraus, bis alle fort sind.«
Sie spürte die Bewegung der Luft und die Berührung von Stoff, als er an ihr vorbeiging. Das Licht, das durch den Eingangsspalt fiel, erlosch für einen Moment, dann sah sie seine Silhouette, die sich gegen den grauen Himmel abzeichnete.
Und sie war allein.
Maggie versteifte sich und lauschte. Das Geräusch ihres eigenen Atems war zu laut. Leise schlich sie zum Eingang hinüber und ging dort in die Hocke.
Und erschrak. Sie konnte das Knirschen von Schritten draußen auf dem Schiefer hören. Direkt vor der Höhle. Dann schien sich ein Schatten über den Spalt zu legen, und sie hörte eine Stimme.
»Delos! Was machst du hier oben?«
Es war eine helle, angenehme Stimme, die Stimme eines Mädchens, das nur wenig älter war als Maggie. Noch keine Frau. Und sie klang beiläufig und besorgt zugleich. Außerdem sprach sie Delos mit einer Vertrautheit an, die verblüffend war.
Aber das war es nicht, was Maggie den großen Schrecken versetzt hatte. Es war der Umstand, dass sie die Stimme erkannte. Sie kannte sie, und sie hasste sie.
Es war Sylvia.
Sie ist hier, dachte Maggie. Und nach ihren Worten zu urteilen, ist sie schon früher hier gewesen - lange genug, um Delos kennenzulernen. Oder vielleicht ist sie auch hier geboren und hat gerade erst angefangen, in die Außenwelt zu gehen.
Was immer auch dahintersteckte, Maggie war jetzt aus einem unbestimmten Grund sicher, dass Miles ebenfalls hierher gebracht worden war. Aber was war dann geschehen? Was war ihm danach zugestoßen? Hatte er etwas getan, das ihn dazu zwang, zu verschwinden? Oder war das von Anfang an Sylvias Plan gewesen?
Konnte Delos wirklich...?
Ich glaube es nicht, dachte Maggie wild, aber dennoch war ihr übel vor Angst.
Draußen plapperte Sylvia mit melodischer Stimme
weiter. »Wir wussten nicht mal, dass du die Gruppe verlassen hattest - aber dann haben wir das blaue Feuer gesehen. Wir dachten, du stecktest vielleicht in Schwierigkeiten...«
»Ich?« Delos lachte auf.
»Nun - wir dachten, es gäbe vielleicht Schwierigkeiten«, räumte Sylvia ein. Ihr Lachen klang wie ein Windspiel.
»Mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe das Feuer zu Übungszwecken benutzt.«
»Delos.« Jetzt schwang ein sanfter Tadel in Sylvias Stimme, und es war beinahe so, als flirte sie mit ihm. »Du weißt, dass du das nicht tun solltest. Du wirst dir deinen Arm nur noch mehr verletzen - es wird nie besser werden, wenn du das Feuer weiterhin benutzt.«
»Ich weiß.« Delos’ schroffer Tonfall bildete einen scharfen Gegensatz zu Sylvias Neckerei. »Aber das ist meine Angelegenheit.«
»Ich will nur das Beste für dich...«
»Lass uns gehen. Der Rest der Gruppe wartet sicher schon auf uns.«
Er mag sie nicht, ging es Maggie durch den Kopf. Sie kann ihn mit all ihrem Gesäusel nicht täuschen. Aber ich frage mich, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.
Im Augenblick hatte sie eigentlich nur einen Wunsch: Sie wollte hinauslaufen und Sylvia zur Rede stellen. Sie packen und schütteln, bis sie einige Antworten ausspuckte.
Aber das hatte sie schon einmal versucht - und das hatte sie in die Sklaverei geführt. Also knirschte sie nur
mit den Zähnen und schob sich näher an den Eingangsspalt heran. Es war gefährlich, und sie wusste es, aber sie wollte Sylvia sehen.
Ihr Anblick war ein weiterer Schock. Sylvia hatte immer hautenge Tops und modische Jeans getragen, aber ihr jetziges Outfit war vollkommen mittelalterlich. Und mehr noch, sie schien sich darin wohl zu fühlen, als seien diese seltsamen Kleider etwas ganz Natürliches für sie - und sie schmeichelten ihr.
Sie trug ein seegrünes Unterkleid mit langen Ärmeln, das bis auf den Boden reichte, und darüber ein Kleid in einem etwas helleren Ton, ärmellos und mit einem Gürtel zusammengehalten, der mit grünem und silbernem Garn bestickt war. Ihr Haar fiel ihr lose in einer schimmernden Woge über die Schultern, und auf
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