Nightshifted
seine Erklärung mit einem grimmigen Lächeln ab.
Was für ein Trost. »Also steht bei diesem Prozess
eigentlich meine Seele auf dem Spiel.«
»Jawohl.« Geoffreys Augen fielen für einen langen
Moment zu, öffneten sich dann aber mit flatternden Lidern wieder. »Ich gehe
davon aus, dass Sie gewisse Pläne haben, selbst Ermittlungen anzustellen? Sie
wirken auf mich nicht wie der Typ Mensch, der geduldig zuhause sitzt und
wartet.«
Ich wurde rot. »Ich habe mir etwas überlegt, ja. Ein
Freund wird mir dabei helfen.«
»Nun, ich muss Ihnen raten, vorsichtig zu sein.
Technisch gesehen hat Ihr Prozess bereits begonnen, und Vampirgerichte halten
sich nicht an die Unschuldsvermutung, bis die Schuld erwiesen ist. Wenn Sie
jetzt sterben, könnte Sie das in eine schwierige Lage bringen.« Er schürzte
missbilligend die Lippen. »Sie sollten in diese Sache keine anderen Sterblichen
mit reinziehen.«
»Er ist ein Zombie.«
Als Reaktion auf meine Worte spannten sich die dicken
Sehnen in Geoffreys Hand schlagartig an. Sein Gesicht blieb reglos, doch seine
Finger brauchten einen Moment, bis sie sich wieder beruhigt hatten. »Miss
Spence, das Folgende sage ich Ihnen als Ihr offizieller Rechtsbeistand: Ich bin
ein Wolf im Wolfspelz, kein Wolf im Schafspelz. Sie können sicher sein, dass er
hingegen seine ganz eigenen Gründe hat, Ihnen zu helfen.«
Ich lieà die Schultern hängen. »Ich muss doch
irgendetwas tun«, protestierte ich dann. AuÃerdem wollte ich daran glauben,
dass mein Schicksal Ti wirklich am Herzen lag. Falls Zombies überhaupt Herzen
hatten.
»Ich verstehe.« Er schob die Hand in seine
Brusttasche und holte eine Visitenkarte hervor. »Rufen Sie mich an, falls Sie
irgendetwas herausfinden. Falls ich das Gespräch nicht entgegennehmen kann,
wird Sike es tun.«
»Und wenn Sie sich nicht bei mir melden?«, hakte ich
nach.
»Dann sehen wir uns vor Gericht.« Er nickte knapp,
stand auf, und verschwand in dem dämmrigen Bereich am anderen Ende des Büros.
Einen Moment später hörte ich, wie eine Tür geschlossen wurde.
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Sike stand auf. Dann verschwand
sie hinter einem Aktenschrank, und ich hörte Wasser plätschern, bevor sie mit
einem Pappbecher in der Hand wieder auftauchte. »Wasser?«
Ich nahm den Becher entgegen. »Sie sind also seine
Tageslichtagentin?«
»Ich bevorzuge die Bezeichnung Tagessprecher, aber
ja.«
»Sie sehen gar nicht aus wie ein Tageslichtagent.«
Ihr Oberteil lieà den Hals frei, und ich konnte keine einzige Narbe entdecken.
Als ich absichtlich den falschen Begriff verwendete,
wurden ihre Augen schmal. »Ich muss schlieÃlich an meine Karriere denken.«
»Wird es nicht etwas schwierig werden, auf das Cover
der Sports
Illustrated zu kommen, wenn Sie erst ein Vampir sind?«, gab ich zu bedenken.
»Dann werde ich das einfach vorher noch schaffen
müssen, schätze ich.« Sie schenkte mir ein freundliches Lächeln, aber es ging
nicht über ihre Lippen hinaus â weder regten sich ihre Wangen noch zeigte sich
in ihren Augen das kleinste Funkeln. Denn wir wussten beide, wie die Wahrheit
aussah: Sie würde es nie nach Europa oder New York schaffen und den groÃen
Treffer landen â es sei denn, der Thron der Rose wollte aus irgendeinem Grund,
dass es so kam.
Genauso wie ich es niemals schaffen würde, von Y4 wegzukommen. Ich
stellte mein Wasser ab, ohne es angerührt zu haben. »Tut mir leid, aber ich
brauche jetzt etwas Schlaf.«
»Wir bleiben in Verbindung«, meinte sie in einem
Tonfall, der mir verriet, dass sie sich nichts weniger wünschte.
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Ich fuhr auf schnellstem
Weg nach Hause und checkte meine Mailboxnachrichten, während ich ins Bett
kroch.
»Hey, Edie â mein Freund wird uns helfen. Wir treffen
uns um drei Uhr am Westpark Shopping Center, dem an der Fünfundachtzigsten
StraÃe, am Nordeingang. Und vergiss nicht, das Hemd mitzubringen, okay? Schlaf
gut!«
Ich speicherte Tis Nummer in meinem Handy und legte
das Gerät dann auf den Nachttisch. Ashers Nummer war ebenfalls dorthin
übergesiedelt und lag nun direkt daneben. Ich knüllte den Zettel zusammen und
schleuderte ihn quer durchs Zimmer, damit Minnie damit spielen konnte. Die
Ambulanz hatte sich wegen meiner Testergebnisse noch nicht gemeldet, da war
also wahrscheinlich alles prima.
Wahrscheinlich war überhaupt alles prima. Anna
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