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Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)

Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)

Titel: Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green , Oliver Graute
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Mit einer eleganten Geste befand sich der Spiegel auf einmal in ihrer Hand. Er sah wie eine ganz alltägliche Lupe aus, aber ich hatte genug Verstand, das nicht laut auszusprechen. Polly bedachte mich für mein Feingefühl mit einem strahlenden Lächeln und fuhr fort: „Er wusste nicht, was es war, oder er hätte es niemals so billig verkauft. Dies ist ein altes, ägyptisches Artefakt, und es kann uns direkt ins Herz des Grabmals führen.“
    „Wie sollen wir reinkommen?“, wollte ich wissen. „Einfach hin latschen und klopfen?“
    „Es gibt eine Seitentür“, antwortete Polly, „und ich weiß, wo sie ist.“
    „Natürlich“, entgegnete ich resigniert.
    ***
    Das Grabmal des vergessenen Pharaos stellte sich als eine überraschend bescheidene Sache heraus, knapp sechs Meter hoch und drei breit. Die orangeroten Ziegel der Pyramide waren trist und schäbig, bröckelten zum Teil schon ab, und doch … hatte sie etwas. Sie stand zwischen einer Kirche im Stil der alten, orthodoxen Wikinger und einem Mutter-Erde-Tempel, der mit zuckendem Efeu bedeckt war, und hatte immer noch ihre eigene dunkle, brütende Präsenz. Sie war nicht da, damit man sie mochte oder schätzte; vielmehr war sie ein schlichtes, zweckmäßiges Ding, einfach und mit klaren Linien. Sie hatte eine Aufgabe und erledigte diese auch nach Tausenden von Jahren noch, während einige der benachbarten Kirchen von der Geschichte zertrampelt worden waren. Das Grabmal war erbaut worden, um die Ewigkeit zu überdauern; und durch die Magie eines Elfenstabes konnte das sogar klappen.
    Ich stand vor Tausenden von Jahren von Geschichte und fühlte mich in ihrem Schatten sehr klein und unbedeutend. Aber natürlich konnte ich Polly das nicht sehen lassen. Also sah ich sie mir an und schnaubte laut, als ob hätte ich schon Besseres gesehen und sei deswegen nicht beeindruckt.
    „Bisschen klein“, sagte ich. „M öglicherweise ist es eine Bonsai-Pyramide.“
    „Sei nicht dumm“, antwortete Polly liebenswürdig. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Rest der Pyramide befindet sich unter der Straße, so weit unten, dass niemand je fähig sein wird, ihre Unterseite zu sehen.“
    „Dann sollte da besser ein Aufzug sein“, sagte ich. „Ich verabscheue Treppen.“
    Polly ignorierte mich und studierte die Pyramide aufmerksam durch ihren Spiegel. Plötzlich lächelte sie und gab den Spiegel an mich weiter. Ich nahm ihn vorsichtig in die Hand und hielt die Linse an mein Auge. Durch sie sah ich ein riesiges, verschachteltes Labyrinth schmaler Steintunnel, die die gesamte Struktur der Pyramide kreuz und quer immer weiter nach unten führend durchzogen. Das Muster war so komplex, dass mir das Herz wehtat und ich den Spiegel schnell wieder an Polly zurückgab. Sie ließ ihn mit einer weiteren knappen Geste verschwinden, und ich starrte ihr gedankenverloren nach, als ich ihr um die Seite der Pyramide herum folgte. Endlich dämmerte mir, dass an Polly mehr war, als für das Auge sichtbar war.
    Sie führte mich an der Seite der Pyramide entlang, durch eine schäbige Gasse, die halb voller Müll war, der sich zum Teil sogar noch bewegte. Wir wichen vorsichtig Dingen aus oder stiegen über sie hinweg, bis wir schließlich vor einem Teil der Pyramidenwand standen, die nicht anders als der Rest aussah. Polly beugte sich vor und zählte die Stufen, ehe sie eine Reihe von Ziegeln in einer schnellen Reihenfolge, in einem Muster, das zu kompliziert war, um es einfach zu begreifen, drückte. Ich sah sie scharf an, aber sie hatte nur Augen für den kleinen Teil der Wand vor ihr, der langsam zurückwich. Tatsächlich – eine Seitentür. Hinter der Öffnung war nur gähnende Schwärze – und Grabesstille.
    „Warte“, sagte ich. „Ich habe irgendwo eine Taschenlampe.“
    „Jungs und ihre Spielzeuge“, sagte Polly hochnäsig. „Sieh und lerne.“
    Der Spiegel war wieder in ihrer Hand. Sie hielt ihn vor sich, und ein Strahl überwältigend hellen Lichts schoss hervor, drängte scheinwerfergleich die Dunkelheit zurück. Polly folgte dem Lichtstrahl ins Innere des Grabmals, und ich eilte ihr nach. Wir hatten noch nicht einmal drei Stufen in den engen Tunnel geschafft, als die Seitentür sich mit einem sehr schwachen Knirschen hinter uns schloss.
    Polly hielt den Spiegel hoch, aber selbst dessen Licht drang nicht weit in die Finsternis vor uns. Sie ging noch immer selbstsicher weiter, bog zielbewusst links und rechts ab, je nachdem, was der Spiegel ihr zeigte. Hoffentlich würde

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