Nikos Reise durch Raum und Zeit - ein Roman über die Rätsel der Quantenphysik
die du nun entdeckt hast, wiederherzustellen.«
»Es gibt nur wenige Menschen, die mit Iris-Heterochromie zur Welt kommen: Jedes Auge hat eine andere Farbe«, unterbrach Zen-O und wies auf Nikos Augen. »Als ich dich getroffen habe, ist mir die Legende wieder eingefallen. Deshalb habe ich dich beobachtet und später Quiona beauftragt, sich mit dir in Verbindung zu setzen.«
»Die verriegelte Tür war seit vielen tausend Jahren versiegelt«, fuhr der Alte fort. »Nur der Junge, von dem die Legende sprach, konnte sie öffnen: Ein Mensch mit einem ehrlichen Interesse daran, das Universum zu verstehen. Einem Interesse, das frei von Neid und Gier ist. Jetzt, wo die Tür geöffnet wurde, steht das Wissen, das hier während so vieler Jahre verwahrt wurde, der ganzen Menschheit offen. Du wirst der Bote sein und zugleich die Verantwortung dafür tragen, diese Weisheit zu teilen.«
Niko schwieg, so beeindruckt war er. Die Fee verpasste ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, um ihm zu verstehen zu geben, dass er dem Alten antworten sollte.
»Wenn ich in meiner Welt erzähle, was mir in diesen zwei Tagen alles passiert ist, glaubt mir das keiner. Ich weiß auch nicht, ob ich die Dinge, die hier geschehen sind, erklären kann … Ich bin nicht einmal sicher, ob ich sie überhaupt selbst verstanden habe.«
»Ihr Menschen seid besonders, außergewöhnlicher, als du denkst, mein Freund. Begleitet mich auf den Turm des Tempels, ich werde euch zeigen, was ich meine.«
Die drei Freunde folgten dem Alten bis zum höchsten Teil des Gebäudes. Von dort aus konnte man das riesige Tal von Shambla überblicken: das Dorf, die Gärten und weiter entfernt die schneebedeckten Gipfel der Berge.
»Könnt ihr mir sagen, ob die Erde rund ist oder flach?«, fragte der Alte.
»Die Erde ist rund«, antwortete Niko, »das weiß doch jeder.«
»Sieh zum Horizont. Was siehst du dort?«
»Da drüben einige Berge und hier die Gärten und das Dorf.«
»Natürlich. Aber: Scheint die Erde von hier aus rund?«
»Na ja, eigentlich nicht. Von hier aus sieht sie eher flach aus.«
»Und dennoch hast du keinen Moment gezögert mit deiner Antwort, die Erde sei rund. Von klein an hast du das so oft zu hören bekommen, dass du es als Wahrheit angenommen hast. Aber kannst du dir vorstellen, was ein Ritter aus dem Mittelalter gedacht haben muss? Einer, der innerhalb eines Tages nur wenige Kilometer vorankommt auf seiner Reise, der kein Telefon hat und auch sonst keine Möglichkeit, mit entfernten Menschen zu kommunizieren. Wie konnte er sich auch nur vorstellen, dass es Orte auf der Erde gibt, an denen nachts der Mond scheint, während dort, wo er gerade ist, die Sonne vom Himmel lacht? Was, meinst du, hat ein Mensch wie er über die Erde gedacht?«
»Na ja, ein Mensch im Mittelalter, der die Erde von einem Turm wie diesem aus betrachtet, hat wahrscheinlich gedacht, die Erde sei flach und nicht rund.«
»Exakt! Für diesen Ritter war die Wirklichkeit ganz anders als für dich. Was du gerade in unserer Welt erlebt hast, geschieht nur, wenn du dich mit Lichtgeschwindigkeit bewegst oder wenn du Atome oder Elementarteilchen sehen kannst; wenn du dich also superschnell fortbewegst oder die allerkleinsten Dinge des Universums betrachtest. In deinem normalen Alltag bewegst du dich aber niemals mit einer solchen Geschwindigkeit und so kleine Dinge wie Atome kannst du auch nicht sehen. Deshalb kommt es dir auch so seltsam vor, was hier geschieht: dauernd zu verschwinden, zu tunneln oder Superpositionen einzugehen.«
Der Alte räusperte sich, bevor er seine Rede zu Ende brachte:
»Weil ihr diese Dinge nicht selbst erlebt, seid ihr Menschen euch nicht bewusst darüber, was in der Quantenwelt geschieht. Aber auch wenn ihr sie nicht sehen könnt, existieren diese Dinge doch. Und du kannst über sie nachdenken. Und genauso, wie du nicht daran zweifelst, dass die Erde rund ist, wird dir eines Tages die Quantenwelt ganz normal vorkommen. Irgendwann werdet ihr sogar Teleportationsmaschinen haben und noch viele andere Quantentechnologien, die du in unserer Welt gesehen hast.«
»Das wär ja atomisch!«, rief Niko »Was ihr hier alles machen könnt, ist magisch!«
In diesem Moment unterbrach Zen-O das Gespräch.
»Eines muss dir klar sein, Niko. Wichtiger noch als die Dinge, die du gesehen hast, wichtiger sogar als das Wissen und die Technologie der Quantenwelt ist: zu wissen, wie man die richtigen Fragen stellt. Nur das hat die Entwicklung der Wissenschaft und der Menschen
Weitere Kostenlose Bücher