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Nilowsky

Nilowsky

Titel: Nilowsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Schulz
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meinte Martina. »Von mir aus hätten wir noch bleiben können.«
    »Ich hatte den Eindruck, du wolltest gehen.«
    »Nein, wollte ich nicht. Ganz und gar nicht.«
    Martina sah mich nicht an, schwieg vor sich hin. »Was ist denn?«, fragte ich nach einer Weile. »Was hast du denn?«
    »Nichts ist. Ich fand’s nur interessant, was deine Eltern erzählt haben.«
    Martina sah ich von diesem Abend an immer seltener. Sie habe viel zu tun, behauptete sie. Auch wenn sienur eine Lehre mache, gäbe es allerhand zu lernen, und sie wolle unbedingt einen sehr guten Abschluss. Das sei sie sich schuldig.
    Wir küssten uns nicht mehr, und als ich sie fragte, ob ich sie mal wieder küssen dürfe, sagte sie, sie sei zu unkonzentriert, es gehe grad nicht. Schließlich – zwei Monate nach meinem Geburtstag, ich war inzwischen in der zehnten Klasse – bat sie mich, ihr eine Auszeit zu gewähren. Ich grübelte über den Grund ihrer Distanz. Kein Tag verging, an dem ich nicht darüber nachdachte, welchen Fehler ich begangen haben könnte. Irgendein Fehler musste es doch gewesen sein.
    Eines Abends ging ich wieder in den Schlosspark. Aus einer Entfernung von über hundert Metern, verborgen hinter einem Baumstamm, sah ich Martina mit ihrer Clique. Ich sah sie auch an den folgenden Abenden. Sie rauchte, trank Bier aus der Flasche und unterhielt sich mit den anderen. Am fünften Tag wartete ich, bis sie sich von der Clique verabschiedete und nach Hause ging. Ich bemühte mich, es wie einen Zufall aussehen zu lassen, dass wir uns über den Weg liefen. »Hallo«, sagte ich. »Schön, dich mal wieder zu sehen.«
    Martina war nicht überrascht. »Na, so ein Zufall«, sagte sie leicht spöttisch, aber doch irgendwie erfreut, wie mir schien. »Komm, wir gehen ein Stück!«
    Wir gingen nebeneinander her, und sie lächelte mich an. Ein trauriges Lächeln, voller Bedauern. »Entschuldige bitte«, sagte sie, »ich hätte es dir längst erzählen sollen.«
    »Was denn?«, fragte ich und ahnte, dass etwas folgen würde, was mindestens so bedauernd war wie ihr Lächeln.
    »Nachdem ich immer mit dir zusammen gewesen bin und nicht mehr mit den andern, ist Martin auch nicht mehr in den Schlosspark gegangen. Wusste ich von Hansi und Jürgen, die sich Sorgen um Martin gemacht haben. Einmal bin ich zu ihm nach Hause. Er fertigte mich gleich an der Tür ab, wollte, dass ich wieder verschwinde. Aber ich wollte nicht. ›Wie geht’s dir denn?‹, fragte ich. Er verdrehte nur die Augen, holte tief Luft und sagte, als wäre ich dermaßen begriffsstutzig, dass man’s gar nicht mehr aushalten könne: ›Mir geht’s bestens. Bestens!‹ Also ließ ich ihn allein. Das war nur ein paar Tage vor deinem Geburtstag. Seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen. Seitdem ist er mir aber auch nicht mehr aus dem Kopf gegangen.«
    Was macht er denn in deinem Kopf?, wollte ich schon fragen. Doch es kam mir sinnlos vor, auch nur irgendetwas zu fragen. »Ist doch prima, wenn es ihm gut geht«, sagte ich schließlich und ärgerte mich sogleich über diese Bemerkung, mit der ich ja nur den Eindruck erwecken konnte, dass ich nichts, aber auch gar nichts begriffen hatte.
    Martina nickte vor sich hin, als würde sie mir recht geben. Dann sah sie mich an, die Augen voller Tränen. Das schlechte Gewissen, das mich anstarrte, kam mir wie eine Verhöhnung vor. »Mir geht’s gut«, sagte ich, ohne dass sie mich etwas gefragt hatte. »Alles okay.«
    Sie nickte wieder, irgendwie erleichtert. Dann drehte sie sich um und lief los. Ich schaute ihr nach und redete mir ein, dass es gut ist, erst einmal allein zu sein. Um in Ruhe über alles nachdenken zu können. Ich ging nach Hause und war froh, sie nicht gefragt zu haben, ob ich irgendeinen Fehler gemacht hätte. Mir war klar: Was Martinabeschäftigte, hatte wenig, vermutlich überhaupt nichts mit mir zu tun. Irgendwie fühlte es sich für mich richtig an, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein wollte. Es betrübte mich weit weniger, als ich befürchtet hatte. Und ich fragte mich, wo nur meine Verliebtheit geblieben war.

33
    Fast ein Jahr verging. Ein erfolgreiches Schuljahr, das ich mit Einsen in allen naturwissenschaftlichen Fächern abschloss. Nur in Chemie hatte ich eine Drei.
    Dann, zu Beginn der elften Klasse, an einem sommerlichen Septemberabend – ich war seit Stunden in meinem Zimmer und lernte für eine Mathematikarbeit –, kam meine Mutter zu mir an den Schreibtisch und fragte mich, ob sie mir etwas geben dürfe.
    »Wieso fragst

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