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Nilowsky

Nilowsky

Titel: Nilowsky
Autoren: Torsten Schulz
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Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sie sich an mir vorbei. »Wo ist denn dein Zimmer? Deine Eltern sind nicht da, oder?«
    »Nein, die sind nicht da«, antwortete ich und zeigte in die Richtung meines Zimmers.
    »Und du?«, fragte Carola. »Lebst in den Tag hinein? Lässt dich von deinen Alten durchfüttern?«
    Sie sagte es so liebevoll, dass ich es nicht als Provokation empfand. Trotzdem verfiel ich sofort in einen Ton der Rechtfertigung: »Ja, aber nur bis zum Beginn des Studiums. Dann … Spätestens dann zieh ich aus. In die Nähe der Uni, auf eigene Kosten …«
    »Wieso denn?«, unterbrach mich Carola. »Ist doch gut auf Kosten der Eltern. Ist die Optimallösung, wennman solche Eltern hat wie du. Ach, ich wollt’ ja keine Fremdwörter mehr. Kleiner Ausrutscher.«
    Sie ging voran in mein Zimmer, und ich überlegte, sie zu fragen, ob sie auf Nilowskys Kosten lebte. Ob er ihr das aufgenötigt habe. Ich dachte darüber nach, wie ich die Frage formulieren sollte, während sie ans Fenster trat, es öffnete, sich hinauslehnte und jubilierte, als sie eine Straßenbahn um die Ecke kommen sah: »Juchhe, juchhe, was ich da seh’. Ist ja wie am Bahndamm. Schöner noch, weil die Straßenbahn nicht so schnell ist und man ihr länger zusehen kann.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und sagte: »Das ist jetzt also die Elfsiebzehner.«
    Sie sah der Straßenbahn hinterher, bis sie um die nächste Ecke gebogen war. Dann drehte sie sich zu mir um. »Was hat er dir eigentlich erzählt, nachdem ich ins Bett gegangen bin?«
    Die Frage sollte lapidar klingen, doch ihre Dringlichkeit war kaum zu überhören. »Wird das hier ein Verhör?«, fragte ich und war selbst überrascht, wie vehement ich das sagte.
    »Oh, du schießt zurück. Sehr gut. Du hast dich entwickelt. Willst du nicht den Spieß umdrehen und mich verhören, wenn du schon so offensiv bist? Willst du nicht wissen, wie es ist mit ihm? Oder hat er dir alles erzählt? Willst du nicht wissen, wie meine Meinung dazu ist?«
    Sie zündete sich eine Zigarette an, blies den Rauch zum Fenster hinaus, und ehe ich ihr antworten konnte, dass mich das natürlich interessierte, brennend sogar, begann sie schon zu erzählen: »Kein Tag vergeht, an dem ich nicht an unsere Hochzeitsnacht denke. Kein einziger Tag. Am Abend unserer Verheiratung trank ich erstmal’ne halbe Flasche Tokajer, Dessertwein, süß und klebrig. Um mich lockerzumachen, verstehst du? Reiner trank mit. ›Eigentlich trink ich ja nichts‹, meinte er, ›nur mal heut, zur Feier des Tages, ’n Schlückchen.‹ Ich sagte: ›Komm, lass uns miteinander. Gehört ja dazu.‹ Er, ganz ernst und ruhig: ›Ja, gehört dazu. Soll auch sein. Aber ich will, dass du es willst. Das will ich.‹ Und ich: ›Ja, ich will. Kannst mir glauben, ich will.‹ Kaum hatte ich’s ausgesprochen, fing ich an zu heulen, ich blöde dumme Trine fing an zu heulen. Und er: ›Du willst es nicht. Aber ist nicht schlimm. Ist nicht schlimm, dass du es nicht willst. Eines Tages wirst du’s wollen. Eines Tages. Deshalb kann ich warten, kann ich.‹ Ich stellte mir meine Alten vor, die verfickten Drecksäcke, wie sie uns zusehen. Wie sie hoffen, dass wir es nicht machen. Nicht schaffen. Wischte mir den Tränenrotz aus ’m Gesicht, schrie Reiner an: ›Ich will es! Na los, ich will es!‹ Er überlegte, zögerte. Ich schrie ihn nochmals an: ›Glaubst du mir nicht, was ich sage? Jetzt schon, am Anfang unserer Ehe, glaubst du mir nicht? Am ersten Tag unserer Ehe? Na los!‹ Ich zog mein Kleid aus, das dunkelblaue mit den weißen Punkten, meinen Schlüpfer zieh ich aus, meinen BH. Steh nackt vor ihm, nackt bis auf Strümpfe und Schuhe. Und er? Guckt mich noch ’ne Weile an, in die Augen guckt er mir. Ich halt seinem Blick stand. ›Na gut‹, sagt er, ›setz dich hin. Setz dich aufs Bett.‹ Ich setz mich aufs Bett. Er tut seine Hand in die Hose, massiert seinen Schwanz. Holt ihn raus, schließt die Augen. ›Jetzt ist es so weit‹, flüstert er vor sich hin, ›endlich ist es so weit. Gott Vater im Himmel, ich dank dir, dass es so weit ist, endlich, ich dank dir.‹ Er legt sich auf mich, ganz sanft legt er sich auf mich, kaum zu glauben, wie sanft. Unddann spür ich ihn, in mir spür ich ihn. Ist nicht schlimm, überhaupt nicht schlimm. Kein Schmerz. Nur plötzlich Angst, Riesenangst. Ein Kind zu bekommen. Einen Sohn wie den alten Nilowsky. Eine Tochter wie meine Fettmatronenmutter. Und Reiner? Hält inne. Zieht seinen steifen Schwanz raus. Legt
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