Nimm dich in acht
daran erinnerte, wie sie während der endlosen Szenen, in denen die Leute gar nichts taten, stillzusitzen versuchte. Und dann, als schließlich jemand sprach, konnte sie nichts sehen, weil sie vollauf damit beschäftigt war, die albernen Untertitel zu lesen. Blöder Film.
Andererseits hatte Matt im Kino seine Finger mit den ihren verschränkt, mit den Lippen ihr Ohr gestreift und geflüstert: »Ist das nicht einfach toll?«
»Auf jeden Fall, Dr. Susan, mag der Ring zwar nur ein bescheidenes Andenken sein, aber er erinnert mich an all den Spaß, den Matt und ich zusammen hatten. Nicht nur an jenem Tag, sondern auch an all den anderen Tagen.«
Tiffany stieg aus dem Bett und begann widerstrebend mit ihren Liegestützen. In dieser Hinsicht mußte sie auch aktiv werden. Im letzten Jahr hatte sie ein paar Pfund zugelegt; jetzt wollte sie sie unbedingt loswerden, nur für den Fall, daß Matt anrief und sie einlud.
Als sie mit der, wie es ihr vorkam, hundertsten Liegestütze fertig war, hatte Tiffany ihre Ansprache für Dr. Susan im Geiste auf Hochglanz poliert und war sehr zufrieden mit sich. Sie hatte beschlossen, noch etwas hinzuzufügen. Sie wollte sagen, daß sie als Kellnerin im
»Grotto« in Yonkers arbeitete. Tony Sepeddi, ihr Boß, würde begeistert sein.
Und wenn Matt erfährt, daß ich den Ring behalten will, weil ich ihn als schönes Andenken an unsere Beziehung betrachte, und wenn er an die nette Zeit denkt, die wir zusammen hatten, dann muß er uns einfach noch eine Chance geben, dachte Tiffany glücklich. Es war so, wie ihre Mutter immer gesagt hatte: »Tiffany, lauf ihnen nach, und sie zeigen dir die kalte Schulter. Aber zeig du ihnen die kalte Schulter, und sie laufen dir nach.«
42
Die Spannung im Architekturbüro Benner, Pierce and Wells an der East Fifty-eighth Street war mit Händen zu greifen, als Susan im holzgetäfelten Eingangsbereich wartete. Eine nervöse junge Empfangsdame, auf deren Namensschild BARBARA GINGRAS stand, unterrichtete Justin Wells zögernd von ihrer Anwesenheit.
Sie war keineswegs überrascht, als die junge Frau zu ihr sagte: »Dr. Susan … ich meine, Dr. Chandler, Mr. Wells hat nicht mit Ihnen gerechnet und kann Sie deshalb leider nicht empfangen.«
Da das Mädchen ihren Namen offenbar aus dem Radio wiedererkannte, beschloß Susan, das Risiko einzugehen:
»Mr. Wells hat meinen Produzenten angerufen und einen Mitschnitt der Ausgabe von Fragen Sie Dr. Susan vom Montag bestellt. Ich wollte ihm das Band eigentlich nur persönlich überbringen, Barbara.«
»Also hat er mir doch geglaubt?« Barbara Gingras strahlte. »Ich hab’ ihm gesagt, daß Carolyn – das ist seine Frau – Sie am Montag angerufen hat. Ich versuche, Ihre Sendung immer zu verfolgen, und hörte gerade zu, als sie anrief. Ich kenne doch ihre Stimme, Himmel noch mal.
Aber Mr. Wells schien sehr verärgert, als ich ihm davon erzählte, also hab’ ich kein Wort mehr gesagt. Und dann hatte seine Frau diesen furchtbaren Unfall, deshalb war der Ärmste viel zu mitgenommen, um mit mir zu reden.«
»Das kann ich gut verstehen«, erwiderte Susan. Sie hatte das Band fertig vorbereitet, um den Anruf von »Karen«
abzuspielen. Sie schaltete den Kassettenrecorder ein und stellte ihn auf den Empfangstresen. »Barbara, könnten Sie sich das bitte noch mal anhören?«
Sie drehte leiser, als die bedrückte Stimme von »Karen«
ertönte.
Die Empfangsdame nickte begeistert mit dem Kopf.
»Klar, das ist Carolyn Wells«, bestätigte sie. »Und das, was sie sagt, stimmt. Ich habe hier etwa zu der Zeit angefangen, als sie und Mr. Wells sich getrennt hatten. Ich weiß es noch genau, weil er völlig durcheinander war.
Nachdem er sich wieder mit ihr versöhnt hatte, war er wie umgewandelt, ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ich hab’ noch nie einen so glücklichen Menschen gesehen. Er ist eindeutig verrückt nach ihr. Und jetzt, seit dem Unfall, ist er wieder völlig fertig. Ich habe gehört, wie er zu einem seiner Partner sagte, laut ihrem Arzt werde ihr Zustand wohl eine Zeitlang unverändert bleiben, und sie wollten nicht, daß er auch noch krank wird.«
Die äußere Tür ging auf, und zwei Männer kamen herein. Sie blickten Susan neugierig an, als sie den Empfangsbereich durchquerten. Barbara Gingras wirkte plötzlich ausgesprochen nervös. »Dr. Susan, wir hören jetzt besser auf. Das sind meine anderen beiden Chefs, und ich will keine Scherereien. Und wenn Mr.
Wells
rauskommt und uns erwischt, ist er
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