Nimm mich
geachtet werden“, sagte Simon betreten. „Joshua ist ein Narr, wenn er dich gehen lässt. Aber du wusstest, dass das passieren würde.“
Jessie atmete zitternd aus. „Ich will nicht geachtet werden. Ich will geliebt werden.“ Sie bekam keine Luft mehr. Wie sie das hasste. „In vier Wochen hätten Joshua und ich uns getrennt.“ Sie wischte sich mit dem Taschentuch über die Wangen, danach war es voller Make-up. Sie zerknüllte es in der Faust zu einem feuchten Ball. „Ich will sein Geld nicht. Und ich werde sein Geld nicht nehmen. Vera wird in die Scheidung einstimmen, aber wenn ihr Joshua auch nur noch einen Cent abknöpft, dann … dann werde ich etwas Fürchterliches tun.“
Simon und Felix erhoben sich. „Honey, wir haben das nur für dich getan. Damit dir etwas bleibt, wenn das Ganze vorbei ist.“
„Mir bleibt etwas, Simon. Glaub mir. Etwas, das viel wichtiger ist als Geld.“
10. KAPITEL
Was für ein schrecklicher Morgen, dabei war es erst zehn Uhr. Joshua hatte Angela angewiesen, sämtliche Anrufer abzuwimmeln, während er zum wer-weiß-wievielten Mal Jessies Nummer wählte.
Er war außer sich.
Wo zum Teufel steckte sie? Schon gestern Nacht hatte er sie unzählige Male angerufen. Er hatte in seinem Auto vor dem Haus gesessen und darauf gewartet, dass sie nach Hause käme. Er war zu rastlos gewesen, um drinnen zu warten. Aber bisher kein Zeichen von Jessie. Er hatte mit Archie gesprochen, mit Conrad, mit Simon, und schließlich sogar die Krankenhäuser angerufen, doch niemand wusste etwas.
Aus Sorge und Angst war er nur noch ein einziges Nervenbündel. Gestern Abend war sie, ohne ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben, aus dem Haus gerannt. Er presste die Finger an seine Schläfen und versuchte, vernünftig mit der Situation umzugehen. Sie hatte ihm etwas sagen wollen. Etwas Wichtiges. Etwas, das ihr nicht leicht über die Lippen ging. Wo verflucht noch mal konnte sie stecken? Die Furcht wurde immer größer. Inzwischen hatte er sich die schlimmsten Vorstellungen gemacht. Und zugleich überlegt, wie er alles wieder in Ordnung bringen könnte. Sofern es nicht aussichtslos war.
Denn dann konnte er, zum Teufel noch mal, überhaupt nichts ausrichten. Nicht einmal er konnte dann noch etwas für sie tun.
Er schloss die Augen und ignorierte das Klingeln des Telefons. Er ignorierte auch das Stimmengewirr vor seinem Büro. All seine Sinne waren nur auf ein einziges Thema konzentriert. Nichts konnte ihn davon abbringen. Am liebsten hätte er gebetet, aber er wusste nicht wie . Dann überlegte er, dass Gott sich darum vermutlich nicht scheren würde. In seinen Gedanken überschlugen sich die Worte. Er bettelte, flehte, verhandelte, machte Versprechungen, dabei presste er die Lider so fest zusammen, dass seine Augen feucht wurden.
Er nahm den Telefonhörer ab. Felix musste einen seiner Leute losschicken. Er trommelte mit den Fingern auf die polierte Schreibtischplatte und wartete. Er glaubte verrückt zu werden, es konnte gut sein, dass Jessie bereits irgendwo war, tot …
Nein, so etwas durfte er nicht denken. Er blickte gereizt auf, als seine Bürotür sich öffnete. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht gestört werden will, Angela, es sei denn …“ Der bleischwere Knoten in seinem Bauch löste sich in nichts auf. Er knallte den Hörer auf.
Aus seiner Angst wurde etwas, das er noch weniger begriff. Wut, dann Erleichterung, und dann etwas, das zu zerbrechlich war, um es zu benennen.
„Wo zum Teufel hast du gesteckt?“, fragte er, als Jessie auf ihn zukam. Plötzlich sah sie in ihrem wunderschönen cremefarbenen Kleid sehr blass aus. Mehrmals strich sie den teuren Stoff glatt.
Ihr Gesicht wirkte sehr schmal, dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
Joshuas Hals zog sich zusammen. „Gott, entschuldige.“ Er räusperte sich. „Ich bin nicht sauer auf dich. Aber als ich dich nicht finden konnte, Himmel, Jessie …“
„Tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast“, sagte sie kleinlaut. Sein Puls stieg noch etwas an. „Ich …“ Sie leckte sich über die glänzend roten Lippen und schluckte, bevor sie ihn ansah. „Ich brauchte noch etwas Zeit.“
Die Furcht ließ seinen Ton barsch werden. „Wo warst du gestern Nacht?“
„Ich war in einem Hotel in San José.“
„Wieso, um Gottes willen?“ Joshua ballte die Hände zu Fäusten. Seine Handflächen waren ganz feucht. „Egal was es ist, Jessie, sag es mir
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