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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Gedanken gehabt.
Es würde ihnen nicht viel helfen. Nichts war im Bild gewesen als Pauls Gesicht.
Zuerst zornig, dann, im Abblenden, voller Entsetzen. Kein Schatten, der nicht
hingehörte, kein Kabel.
    Reinold verabschiedete sich von Nora
und den Kameraleuten.
    »Danke, Nora. Danke, meine Herren.
Schlaft gut!«
    Sie gingen ohne viele Worte. Reinold
sah mich in meiner Ecke.
    »Ach, Hans! Ich muß mir noch einige
Probeaufnahmen ansehen, von irgendeinem Nachwuchsflittchen. Wartest du?«
    Ich sah auf meine Uhr. Sieben.
    »Nur mal schnell telefonieren«, sagte
ich. »Bin sofort zurück.«
    »Elsie, die sanfte Gewalt«, sagte er.
    Ich mußte es zu geben. Im Gehen sah ich
noch, wie er den Hörer des Tischtelefons abnahm und hörte ihm mit dem Vorführer
sprechen.
     
     
     

XI
     
    Ich ging über den Korridor zu dem Büro
der Pressechefin. Ich ließ mich am Schreibtisch nieder, schob einen Stapel
aufgeklebter Zeitungsausschnitte zur Seite, und zog das Telefon heran. Meine
Nummer war ungefähr die einzige, die ich auswendig konnte.
    Elsie kam immer sehr schnell ans
Telefon, weil sie den ganzen Tag Anrufe von Mädchen für mich erwartete.
    »Hier bei Herrn Trubo«, flötete sie
spitz und schadenfroh.
    »Wo sollst du auch sonst sein«, sagte
ich. »Hör zu, Putzfrau. Wir sind eben erst fertig geworden. Reinold muß sich
paar Probeaufnahmen ansehen, und dann will er mit mir quatschen. Es wird ‘ne
Stunde später.«
    »Du lügst, Johannes Trubo!« Sie pustete
in den Hörer, als wäre er heiß. »Du willst nur wieder aus gehen mit einer
anderen — schäme dich jetzt, wo das passiert ist. Ich gehe noch heute abend
fort, für immer! Mach dir deine Eier allein!«
    Ich atmete tief aus.
    »Endlich! Seit Jahren wartete ich auf
diesen Tag! Vergiß ja nichts von deinen Klamotten in meiner Wohnung! Ich will
nicht mit deiner Nachfolgerin am ersten Tag schon Knatsch haben!«
    »Du bist ein widerliches Scheusal!« Und
dann schon etwas kläglicher: »Immer läßt du mich allein!«
    »Immer wird alles ungeheuer
übertrieben«, sagte ich. »Und nun sei brav. In einer Stunde bin ich da. Denk
daran, daß das Bier im Eisschrank stehen soll, nicht davor!«
    Ich schnalzte mit den Lippen, vernahm
das gleiche Geräusch von der anderen Seite, und legte auf. Dann verließ ich den
Papierberg und den Parfümduft und die Pressestelle.
    Auf dem Gang war niemand. Als ich um
die Ecke bog, sah ich undeutlich am anderen Ende einen Mann in einem
Garderobenmantel, schwarz mit gelber Einfassung. Paul, der große Mime.
    »Nacht, Paul!« rief ich.
    Er drehte sich nicht um. Ein paar
Schritte, und er war hinter der Biegung verschwunden. Schien etwas schwer zu
hören, der Gute.
    Röslins Büro war zu, aber noch
erleuchtet. Der arme Mann bestand auch hauptsächlich aus Überstunden. Ich
überlegte, ob ich in den Vorführraum zurück, oder gleich in Reinolds Büro gehen
sollte. Störungen bei Vorführungen sah er nicht gern. Aber schließlich waren es
nur Probeaufnahmen, und vielleicht wollte er wissen, was ich von der Dame
hielt.
    Ich quetschte mich schnell durch die
Tür und blieb leise atmend stehen, bis sich meine Augen wieder an die
Dunkelheit gewöhnt hatten. Der Probestreifen lief. Reinold saß auf seinem alten
Platz in der ersten Reihe, etwas zur Seite gelehnt. Sonst war niemand im Raum.
    »Entschuldige, Stefan«, murmelte ich.
Er sagte nichts. Ich drückte mich lautlos auf den nächsten Platz und hob die
Augen zur Leinwand.
    Das Mädchen schien eine begnadete
Flasche zu sein. Sie hatte langes, wallendes Haar. Ihre Zähne waren nicht viel
kürzer. Dazu die üblichen schrägen Augen, der Ammenbusen, die üblichen
Bewegungen. Sie wand sich vor der Kamera wie eine Schlange vor der Flöte des
Fakirs. Wenn sie ihr Profil zeigte, ging es noch. Aber wenn sie geradeaus in
die Linse starrte, bekam ich Sodbrennen. Der arme Stefan. Nun müßte er wieder
sagen, daß das genau der Typ sei, den er schon seit 1930 suche, aber leider sei
schon alles vergeben. Dann fing die Unglückliche zu tanzen an. Es sah aus, als
hätte sich die Loreley von ihrem Felsen in eine Schachtel Heftzwecken gesetzt.
    »Sie wird sich das Kreuz brechen«,
sagte ich.
    Stefan sagte nichts.
    Ich sah es mir eine Weile an. Dann
schloß ich die Augen. Auch sie würde einmal ermatten.
    Nach einiger Zeit nahm ich die Lider
wieder auseinander. Der Tanz war beendet. Stefan hatte seine Haltung nicht
verändert. Das Mädchen sah uns gerade ins Gesicht und deklamierte irgendeinen
Text. Gottlob ohne Ton.
    Als

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