Nimmerklug in Sonnenstadt
Hahn mit dem blauen Knirps, kommt eiskaltes Wasser, das dich blau vor Kälte macht."
„Na schön, wenn euch allen klar ist, dann laßt Wasser in die Badewanne und badet", ordnete Pünktchen an.
Nachdem Nimmerklug und Buntfleck ihre große Wäsche beendet hatten, brachte Pünktchen das Badezimmer wieder in Ordnung, und dann setzten sich alle drei zu Tisch. Nimmerklug schwenkte den Zau berstab und sprach: „Tischlein, deck dich!"
Da flog ein Tischtuch auf den Tisch und entfaltete sich ganz von allein... Was nicht alles für Speisen darauf standen! Die Freunde konnten essen, was ihr Herz begehrte und wieviel sie mochten, denn die Speisen nahmen nicht ah. Nimmerklug und Buntfleck saßen in Decken gehüllt bei Tisch, weil Pünktchen ihre Sachen ausgewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatte. Buntfleck bedauerte nur, daß er sich keine Bonbons in die Hosentaschen stecken konnte. Trotzdem gelang es ihm, einen Haufen Bonbons unter seinem Kopfkissen zu verstecken.
Schließlich waren sie satt. Das Tischtuch rollte sich zusammen und verschwand mit dem ganzen Essen, so daß der Tisch gar nicht ab geräumt zu werden brauchte. Pünktchen blickte aus dem Fenster und bemerkte verwundert, daß es draußen schon dunkel war. Da sagte sie, es sei Schlafenszeit, und ging in ihr Zimmer. Auch Nimmerklug und Buntfleck verzogen sich in ihr Schlafzimmer. Buntfleck kaute noch lange an seinen Bonbons und warf das Einwickelpapier einfach auf den Fußboden. Endlich schlief er mit einem Bonbon im Munde ein. Aber Nimmerklug konnte noch nicht einschlafen. Er mußte an die vielen Erlebnisse denken, die er seit dem Morgen gehabt hatte, und es schien ihm, als wären sie nicht heute oder gestern aus Blu menstadt abgereist, sondern vor langer, langer Zeit, vielleicht vor einem Monat. Das ist nicht weiter verwunderlich. Die Knirpse sind doch so klein, und kleinen Leuten vergeht die Zeit langsamer als großen.
Nimmerklug unterhält sich mit seinem Gewissen
Allmählich gewöhnten sich Nimmerklugs Augen an die Dunkelheit, die im Zimmer herrschte. Schon konnte er das Bild erkennen, das in einem breiten, schwarzen Rahmen an der Wand hing. Neben seinem Kopfende stand ein kleiner Schrank, den Nimmerklug anfangs für ein gewöhnliches Nachtschränkchen gehalten hatte. Jetzt bemerkte er, daß es statt der Tür eine Tafel mit kleinen weißen Knöpfen besaß. Unter einem Knopf stand „Rotkäppchen", unter den anderen „Däum ling", Goldhähnchen oder „Gestiefelter Kater". Auf dem Schränkchen war ein Spiegel angebracht.
Was das wohl für ein Ding ist? fragte sich Nimmerklug. Ob ein Märchenbuch aus dem Schränkchen springt, wenn man auf einen Knopf drückt? Ja, ich könnte eigentlich vor dem Einschlafen noch ein Märchen lesen!
Nimmerklug drückte auf den ersten besten Knopf. Aber aus dem Schränkchen sprang kein Buch. Dafür ertönte leise, schöne Musik, und eine freundliche Stimme begann, langsam ein Märchen zu erzählen: „Es waren einmal ein Schwesterchen und ein Brüderchen, die hießen Aljona und Iwan. Eines Tages gingen sie auf die Wande rung ...
Aha! dachte Nimmerklug. Das ist also eine Maschine zum Märchenerzählen!
Er lauschte, bis das Märchen zu Ende war. Es gefiel ihm über alle Maßen, aber der arme Iwan, der in ein Ziegenböckchen verwandelt wurde, tat ihm schrecklich leid. Das erinnerte ihn an den Knirpserich, den er heute auf der Straße getroffen und in einen Esel verwandelt hatte.
Ihm fiel ein, wie er als Esel davongetrabt war, den langohrigen Kopf noch einmal zurückgewandt und Nimmerklug vorwurfsvoll angeblickt hatte.
Das Märchen war längst zu Ende, aber Nimmerklug lag noch immer wach. Er wälzte sich von einer Seite auf die andere. In Gedanken unterhielt er sich mit sich selber, und dabei kam es ihm vor, als redete eine Stimme mit ihm, die sich in seinem Inneren befand.
„Er ist doch selbst schuld”, rechtfertigte sich Nimmerklug. „Er hat mich gestoßen! Sollte ich dazu schweigen?"
„Spiel dich nicht so auf!" antwortete die Stimme. „Ja, er hat dich gestoßen, und du hättest zurückstoßen sollen."
„Zurückstoßen!" brummte Nimmerklug. „Ich hätte mich also mit ihm prügeln sollen? Prügeleien sind häßlich!"
„Häßlich?" wiederholte die Stimme spöttisch. „War das, was du getan hast, etwa gut? Wenn dich nun jemand in einen Esel verwandelt hätte!"
„Wozu stößt er mich denn!" beharrte Nimmerklug.
„Dauernd sagst du: ,Er hat mich gestoßen.' Dabei weißt du ganz gut, daß er es
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