Nimmerklug in Sonnenstadt
der Stirn auf das Pflaster, daß er besinnungslos liegenblieb.
Gerade fuhr die Knirpseline Mohnkörnchen im Auto die Makkaronistraße hinunter. Als sie Pfeifstengel unbeweglich liegen sah, hielt sie das Auto an, erkannte, daß er ärztliche Hilfe brauchte, schleppte ihn in den Wagen und brachte ihn ins Krankenhaus.
Dort wurde Pfeifstengel sogleich ins Bett gelegt. Doktor Kaltwickel verschrieb ihm eine Medizin, befahl, ihm Eis auf die Stirn zu legen, und drückte dann Mohnkörnchen die Hand zum Dank dafür, daß sie den Kranken hergebracht hatte. Er wollte Pfeifstengels Namen ins Krankenbuch schreiben, aber der Polizist war immer noch ohne Besinnung und konnte seinen Namen nicht nennen.
Auf Doktor Kaltwickels Bitte sah eine Krankenschwester in Pfeifstengels Jackentaschen nach und fand einen an Fladen gerichteten Brief sowie eine Fahrerlaubnis, die ebenfalls auf Fladens Namen ausgestellt war.
„Da gibt es keinen Zweifel — Fladen heißt er", stellte Doktor Kaltwickel fest und schrieb ins Krankenbuch: Fladen.
Als sich nun Wachkugel am nächsten Tage wiederum im Kranken hause erkundigte, ob der Polizist Pfeifstengel vielleicht inzwischen dort eingeliefert worden sei, bekam er zur Antwort, daß sich unter den Patienten kein Knirpserich namens Pfeifstengel befinde. Außer dem Kraftfahrer Fladen, der auf der Straße das Bewußtsein verloren habe, sei kein neuer Patient aufgenommen worden. So kam niemand auf den Gedanken, Pfeifstengel könnte im Krankenhaus liegen, und die Polizei suchte ihn weiter. Tag für Tag meldeten die Zeitungen, daß der Polizist Pfeifstengel nirgendwo aufzufinden sei. Einige Zeitungen machten sich sogar lustig über die vergeblichen Versuche der Polizei, einen verlorengegangenen Polizisten zu finden. Alle möglichen Witze und Glossen wurden über ihn veröffentlicht, ja, eine Zeitung schrieb sogar, Pfeifstengel sei überhaupt nicht verschwunden, und man könne ihn nur deshalb nicht wiederfinden, weil es gar keinen Polizi sten namens Pfeifstengel gebe.
Wir dürfen nun aber nicht annehmen, daß die Sonnenstädter böse Menschen waren, weil sie sich über anderer Leute Unglück lustig machten. Im Gegenteil, sie waren gutmütig und anteilnehmend. Ihr Verhalten läßt sich nur damit erklären, daß es in Sonnenstadt so viele Autofahrer gab. Autofahrer haben bekanntlich den Polizisten gegenüber gewisse Vorurteile, weil die ihnen bei jedem Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften lange Strafpredigten halten. Außerdem glaubten viele, die ganze Geschichte sei nur zur Erheiterung der Zeitungsleser erfunden.
Als Pfeifstengel am nächsten Morgen erwachte, erkannte er ver wundert, daß er sich wieder in einem fremden Raum befand. Er wollte schon aufstehen, um festzustellen, wie er hierhergekommen war, aber er merkte, daß seine Kräfte nicht ausreichten, und ließ den Kopf wieder auf das Kissen sinken. Da kam eine Krankenschwester ins Zimmer.
„Guten Morgen, Fladen!" sagte sie freundlich. „Wie fühlen Sie sich?" „Wo bin ich?" forschte Pfeifstengel. Er war so aufgeregt, daß er den Namen „Fladen" überhörte.
Die Krankenschwester erklärte ihm, er sei auf der Straße hingefallen und habe eine Gehirnerschütterung. Jetzt befinde er sich im Krankenhaus und brauche sich keine Sorge zu machen, denn er werde bald wieder gesund sein.
Pfeifstengel begriff von diesen Erklärungen kaum etwas, weil sein Bewußtsein noch allzusehr getrübt war. Aber die sanfte Stimme der Krankenschwester beruhigte ihn. Seine Aufregung verging, er frühstückte mit Appetit und schluckte, ohne mit der Wimper zu zucken, einen ganzen Löffel voll bitterer Medizin. Damit war Doktor Kaltwickel sehr zufrieden. Er verschrieb dem Patienten stündlich einen Löffel davon und kalte Umschläge auf die Stirn.
Doktor Kaltwickel selbst besuchte Pfeifstengel mehrmals am Tag und erzählte ihm lustige Geschichten. Er war der Meinung, daß nichts die Genesung so fördere wie gute Laune. Daher hatte Doktor Kaltwickel im ganzen Krankenhaus lustige Bilder aufhängen lassen. Die Ärzte und Krankenschwestern mußten den Kranken in ihrer freien Zeit Märchen und Geschichten vorlesen, ihnen Scherzgedichte aufsagen oder Witze erzählen.
Nimmerklug wird wieder von seinem Gewissen gequält
Der Ingenieur Bolzen, den Nimmerklug und seine Freunde kennengelernt hatten, war ein merkwürdiger Knirpserich. Seine Hände, seine Füße und seine Zunge bewegten sich außergewöhnlich schnell. Er ging nicht, sondern lief immer. Fast niemals saß
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