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Nimmerklug in Sonnenstadt

Nimmerklug in Sonnenstadt

Titel: Nimmerklug in Sonnenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Nossow
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seinen Gefangenen in den „Eisschrank" gesteckt hatte, holte er ihm aus einem Restaurant etwas zu essen, ging heim und legte sich ins Bett. Und nun passierte ihm das gleiche, was Nimmerklug häufig erlebte — sein Gewissen quälte ihn. Er begann zu glauben, daß er kein Recht habe, ruhig zu schlafen und überhaupt frei zu sein, während ein anderer Knirpserich im Gefängnis saß und nicht heraus durfte. Bis Mitternacht wälzte sich Stiefelblank im Bett herum, dann ging er in die Polizeiwache zurück und ließ Suppenkaspar aus dem „Eisschrank". Doch als er wieder im Bett lag, machte ihm sein Gewissen erneute Vorwürfe. Er habe nicht gesetzmäßig gehandelt, als er einen Windbeutel, der noch sieben Tage abzusitzen hatte, freiließ.
    Genau wie Stiefelblank sperrten auch andere Polizisten die verhafteten Windbeutel anfangs in den „Eisschrank"; dann bekamen sie Gewissensbisse, ließen sie frei, und hinterher wurden sie von Zweifeln geplagt, oh sie auch richtig gehandelt hätten. Durch solche Erlebnisse verging vielen Polizisten Schlaf und Appetit. Ein Polizist bereute es so sehr, daß er sich selber ins Gefängnis steckte und sich erst wieder beruhigte, nachdem er sieben Tage im „Eisschrank" abgesessen hatte.
    Der Polizist Stiefelblank dachte gründlich über seine Gewissens bisse nach und hielt dann im Fernsehen einen Vortrag, wo er darlegte, daß es unrichtig sei, die Windbeutel in den „Eisschrank" zu stecken. Man müsse sie in den Zeitungen und Zeitschriften verspotten — Kari katuren von ihnen zeichnen oder in Gedichten und Geschichten ihre bösen Streiche schildern. Dann würden sie sich bestimmt bessern und vernünftig werden. Dieser Vorschlag gefiel allgemein. Sogleich brach ten die Zeitungen zahlreiche Karikaturen von Windbeuteln in unge heuer weiten grüngelben Hosen und in Jacken mit so engen Ärmeln, wie es sie in Wirklichkeit gar nicht gab. Alle Figuren hatten winzige Punktnasen und dermaßen lange Oberlippen, daß es greulich anzu sehen war. Jede Zeitung enthielt unterhaltsame Geschichten aus dem Windbeutelleben, die vom Publikum gern gelesen wurden. Beson ders gut gefielen Bildfolgen über die bösen Streiche der Windbeutel, die allgemeines Gelächter hervorriefen.
    Trotz des Spottes, mit dem die Windbeutel von allen Seiten über schüttet wurden, verringerte sich ihre Zahl nicht. Viele Knirpseriche, die früher nicht einmal im Traum an solche Ungezogenheiten gedacht hatten, spuckten jetzt in aller Seelenruhe aus dem Fenster des fünf ten Stocks den Fußgängern auf den Kopf und fanden das äußerst geistreich. Andere holten sich Bücher aus der Leihbibliothek, rissen Seiten heraus und falteten Papiertauben. Es war ihnen gleichgültig, daß die Bücher hinterher nicht mehr zu lesen waren. Die schmerz haften „Schnipserspiele", bei denen der Gewinner den Verlierer ge gen die Stirn schnipsen durfte, nahmen überhand. Es fanden sich so gar Knirpseriche, die sich nicht mit den Schnipsern begnügten. Sie spielten um Ohrfeigen, Püffe und Genickstöße, wobei eine Ohrfeige soviel galt wie zwei Genickstöße, fünf Püffe oder zehn Stirnschnip ser. Jeder Verlierer hatte das Recht, statt zehn Stirnschnipsern von dem Gewinner eine Ohrfeige, zwei Genickstöße oder fünf Püffe in Empfang zu nehmen.
    Eine Gruppe von Windbeutel setzte sich in einem Konzertsaal fest und gab vor einem .großen Publikum ein Konzert mit verstimmten und zerbrochenen Instrumenten. Es war eine so schauderhafte Mu sik, daß kein Ohr sie ertragen konnte. Aber die Windbeutel verbrei teten das Gerücht, SQ etwas wäre jetzt modern und. hieße „Geräusch musik".
    Bald spielten mehrere Orchester nur noch auf verstimmten und zerbrochenen Instrumenten. Als besonders modern wurde das Geräuschorchester „Windgeheule" angesehen. Es bestand aus zehn Knirpsen. Einer trommelte auf einer Konservendose, ein anderer grölte, der dritte quietschte, der vierte winselte, der fünfte grunzte, der sechste mauzte, der siebente quakte, und die übrigen drei klap perten mit Bratpfannen und stießen die scheußlichsten Töne aus.
    Auch das Theater vermochte sich den neuen Einflüssen nicht zu entziehen. Der angesehene Regisseur Firlefanz besorgte sich weite grüngelbe Hosen und eine knallbunte Quastenkappe und erklärte, das Theater sei kein Museum, es dürfte nicht hinter dem Leben zurückbleiben, und wenn im Leben heutzutage allerlei unerfreuliche Dinge geschähen, müsse auch im Theater alles drunter und drüber gehen. Wenn die Zuschauer früher im

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