Nimmerzwerg
Pranken der Unholde entkommen war. Er war noch immer hier unten und verbarg sich vermutlich irgendwo in den Schatten. Und da er es in dieser Stinkschädelhölle allein nicht weit bringen würde, war es sehr wahrscheinlich, dass er versuchen würde, sie zu befreien…
Selbst wenn Moral ihm annähernd unbekannt und er selbst ein verschlagener Asselbart war – was hätte er sonst tun sollen? Hier unten, jenseits des Vergessens und inmitten von Stinkschädeln, hatte er niemanden außer ihnen. Wenn Nattergriff das allerdings anders sah, würde das Ende ihres Bestimmungsstollens wohl tatsächlich in den unergründlichen Tiefen eines Trollbauches oder einer Blitzbasaltmine liegen.
Bedrückt blickten Fazzgadt und Blechboldt einander an, und Flammrank fühlte sich seinem ehrbaren Ableben ein ganzes Stück näher.
In diesem Moment kamen einige andere Trolle durch den Gang gestapft, die die kleine Gruppe argwöhnisch musterten. Horrks Gefolgsleute brüllten sie augenblicklich an. Die Trolle brüllten zurück. Dann brüllte irgendjemand etwas in Richtung der Gefangenen, und zu guter Letzt stieß auch Horrk noch ein lautes Brüllen aus. { * } Schließlich rissen seine stinkschädeligen Schergen die Zwerge grob an ihren Ketten empor, sodass sie sich beinahe an den letzten Bissen Schwarzfarrn verschluckt hätten. Und gleich darauf wurden sie auch schon weiter durch den Gang geschleift.
Als Tihf Schwartzbarth erwachte, lag es nicht etwa, wie erwartet, am Klopfen des zurückgekehrten Thorf Glimmspan.
Zunächst wusste er nicht einmal, was ihn geweckt hatte.
Bis er die Ratte hörte, die irgendwo im mattroten Zwielicht, das vom Magmasee durch die Bullaugen hereinfiel, in einem fort aufgeregt quiekte. Der Kapitän der Sturmgluth kannte diese Laute. Es war eine Warnung. Irgendetwas musste sich im Inneren seiner Kajüte befinden. Irgendetwas, das nicht hierher gehörte.
Vorsichtig drehte sich Schwartzbarth in seiner Koje auf die Seite, griff nach seinem Gürtel und tauschte beinahe lautlos seinen stumpfen Schlafhaken gegen die geschliffene Variante ein. Dann streckte er den Arm aus und schaltete eine der käferlosen Lampen neben seiner Koje an.
Und nun erkannte er, was Trolltöter in eine derartige Aufregung versetzt hatte: An seinem Tabakschrank stand, in eine schmutzstarrende Decke gehüllt, ein Fremder, der sich gerade eine Pfeife mit seinem besten Tabak stopfte.
Dieses unverschämte Stück Zwerg hatte es gewagt, in seine Kajüte einzudringen, sich eine seiner Pfeifen zu schnappen, und wollte nun auch noch seinen Tabak rauchen! Und das mit einer Selbstverständlichkeit, dass Schwartzbarth – hätte er es nicht besser gewusst – beinahe annehmen musste, dass es sich bei diesem Zwerg um ihn selbst handelte.
Der Kapitän schaute sich um. Er hatte nichts bemerkt, nichts gehört. Wie war dieser Zwerg hier hereingelangt? Da erblickte er eine offene Luke, durch die es heiß hereinwehte und durch die ein trainierter Zwerg mit etwas Anstrengung womöglich hindurchgepasst hätte.
Vorsichtig nahm Schwartzbarth seinen rostigen Dreispitz vom Haken und schwang sich aus der Koje. Dann zog er sich hastig seinen Stiefel an, rückte seine Augenklappe zurecht und erhob sich so gebieterisch, wie es die Situation zuließ. Der Vollständigkeit halber wartete er noch einen Moment, bis Trolltöter auf seine Schulter gesprungen war.
Schließlich räusperte er sich, hob seinen Haken und fuhr den fremden Zwerg zornig an: „Wer zum Haken bist du? Und wie kannst du es wagen, in meine Kajüte einzudringen?!“
Gemächlich schlenderte der fremde Zwerg, die Pfeife in der Hand, zum Ornamenttisch hinüber und setzte sich.
„Mach dir keine Sorgen, Käpt’n. Ich bin nicht hier, weil ich meinen Bart zurückhaben will“, erwiderte er.
Der Zwerg war tatsächlich bartlos. Genau genommen war er sogar kleiderlos, wenn man von dem ledernen Lendenschurz und der schlammfleckigen Decke absah, die er wahrscheinlich einem Troll gestohlen hatte. An seinen Armen und Beinen konnte der Kapitän der Sturmgluth Abschürfungen erkennen, die vermutlich von Ketten herrührten. Es musste sich also um einen seiner Gefangenen handeln. Schwartzbarths Auge verengte sich zu einem wütenden Schlitz. Wenn ihm nach der Schlappe am Steg tatsächlich auch noch ein Gefangener entkommen war, dann hatte er ein Öhrchen mit Thorf Glimmspan zu rupfen…
Das jedoch würde noch ein wenig warten müssen. Zunächst galt es herauszufinden, was dieser verwegene, dreckfleckige
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