Nimue Alban 10 - Der Verrat
meisten seiner Kapitäne wussten beim besten Willen nicht, wie sie das geschafft hatten, selbst jetzt noch nicht. Vor fast genau einem Fünftag waren sie mit der Abendflut aufgebrochen. Seitdem hatte Yairley sie angetrieben, als wäre Shan-wei persönlich hinter ihnen her. Warum, wusste niemand zu s a gen. Der Admiral hatte die Kapitäne informiert, er habe die Absicht, innerhalb von achtundzwanzig Tagen die Schueler-Meerenge hinter sich zu lassen. Das hatten die meisten schon für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten. Doch er hatte die Strecke sogar innerhalb von nur sechsundzwanzig Tagen geschafft. Dazu war es erforderlich, eine Durchschnittsg e schwindigkeit von fast achteinhalb Knoten vorzulegen. Bramsegel, Oberbramsegel, Stagsegel, Leesegel – der Adm i ral hatte jedes Stück Tuch aufzuziehen befohlen, das sich nur hatte finden lassen. Er weigerte sich hartnäckig, Segel einzuholen, solange es nicht absolut unumgänglich war. S o gar die alte Navy-Tradition hatte er missachtet, zumindest in der Nacht einige Segel einzuholen und zur Sicherheit die Marssegel zu reffen. Bei Nacht war es deutlich schwieriger, die Wettervorzeichen zu lesen, und so konnte nur allzu leicht eine Bö das Schiff erfassen. Waren zu viele Segel gesetzt, konnte der Wind Maste brechen und das Schiff sogar unte r gehen lassen.
Obwohl die Männer ohne Erklärung für all die Plackerei und die eingegangen Risiken geblieben waren, hatten sie sich antreiben lassen. Und zu ihrem eigenen immensen E r staunen hatten sie das Unmögliche geschafft, das ihr Adm i ral von ihnen verlangt hatte. Nun hatten die Schiffe an der südlichen Mündung der Meerenge beigedreht und waren vor Anker gegangen. Die Mannschaften lagen an Deck und g e nossen die Sonne, obwohl der Wind immer noch schneidend kalt war. Diese kurze Erholungspause hatten sich die Mä n ner redlich verdient – und dringend notwendig war sie auch. Die Kommandanten der Schiffe jedoch hatten sich an Bord der Destiny eingefunden und hofften nun darauf, endlich zu erfahren, was das alles zu bedeuten hatte.
Ein Kapitän fehlte. Captain Daivyn Shailtyns Thunderbolt hatte ihre Großbram- und die Oberbramstenge verloren, als eine gewaltige Windbö das Schiff erfasst hatte. Zum Einh o len der Segel hatte die Zeit nicht mehr gereicht. Einige von Yairleys Offizieren hatten damit gerechnet, der Admiral werde Shailtyn dafür, dergleichen zugelassen zu haben, e i nen Kopf kürzer machen. Doch der Admiral war kein Narr. Er wusste genau, wessen Schuld das in Wirklichkeit war. Und so hatte er Shailtyn nur signalisiert, er solle mit höchs t möglicher Geschwindigkeit einen Treffpunkt fünfzig Meilen südlich der Sarm-Untiefe ansteuern, in der Nähe der Feste Sarmouth. Warum allerdings jemand von normaler geistiger Gesundheit diesen Ort ansteuern sollte, stellte alle versammelten Kapitäne vor ein Rätsel.
Alle hofften sie darauf, bald Aufklärung zu bekommen.
»Gewiss haben Sie sich alle gefragt, was mich dazu b e wogen hat, unsere Leute derart anzutreiben «, begann Sir Dunkyn dann auch. Sein Steward und sein Flaggleutnant versorgten derweil leise und unaufdringlich jeden der hier versammelten Kapitäne mit einem Glas Brandy. »Zumindest einen Teil meiner Beweggründe kann ich Ihnen jetzt verr a ten. Andere unserer aktuellen Befehle jedoch müssen noch ein wenig länger vertraulich bleiben. «
Die Kapitäne wechselten erstaunte Blicke. Geheime B e fehle waren natürlich nicht gerade beispiellos, aber meistens hörte man darüber nur in alten, wilden Geschichten. Und Befehle, deren Inhalt nicht einmal an Bord von Schiffen kundgegeben werden konnten, die sich Hunderte von Meilen entfernt von jeder menschlichen Ansiedlung befanden, w a ren sogar noch seltener. Wer sollte hier denn etwas mitb e kommen, selbst wenn sich jemand unbedacht verplapperte?
Yairley sah, dass wirklich jedem seiner Offiziere diese Fragen durch den Kopf gingen. Nach einem Räuspern Yai r leys galt die Aufmerksamkeit der Männer allein wieder i h rem Admiral.
»Das Geschwader hat den Auftrag erhalten, die Feste Sarmouth anzugreifen, einzunehmen und zu zerstören «, e r klärte er. »Es geht hier nicht nur um einen Stippangriff, Gentlemen. Wir reden hier von einem ausgewachsenen A n griff, nach dem dort, wo jetzt die Befestigungsanlagen st e hen, nur noch ein Schutthaufen Zurückbleiben darf. Zusät z lich haben wir sämtliche Schiffe aufzubringen, die wir in Sarmouth möglicherweise vorfinden . Wir sollen die Hafe n anlagen, die
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