Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Vormarsch des Gegners auch nur verlangsamen wollen. Und das müssen wir! Wenn irgend möglich, müssen wir natürlich versuchen, ihn ganz aufzuhalten. Idealerweise lassen wir ihn höchstens noch einige hundert Meilen weiter nach Osten kommen, als er derzeit schon steht. Dort nageln wir ihn dann bis zum Wintereinbruch fest. Sollte das nicht gelingen, müssen wir den Vormarsch wenigstens verlangsamen! Und wenn es dazu nötig ist, neue Regimenter ins Feld zu führen, die noch nicht vollständig ausgebildet sind, dann wird uns eben nichts anderes übrig bleiben.«
»Ich gebe Ihnen voll und ganz recht, Mein Lord: Wir müssen den Vormarsch des Gegners verlangsamen«, unterstrich nun auch Merlin. »Und damit komme ich zu meinem letzten Vorschlag. Interessanterweise ist mir der gerade eben erst in den Sinn gekommen.«
»Ach, tatsächlich?« Cayleb blickte seinen Leibwächter misstrauisch an.
»Tatsächlich, Euer Majestät«, versicherte ihm Merlin, und der Hauch eines Lächeln umspielte seine Lippen. »Eigentlich hätte ich sehr viel früher darauf kommen müssen. Und, bei allem schuldigen Respekt: Ihr auch.«
»Na, wenn ich von allein darauf hätte kommen müssen, dann sollte ich wohl dankbar sein, dass es auch bei Euch ein wenig gedauert hat«, versetzte Cayleb trocken. »Wäret Ihr denn wohl bereit, uns an Eurem jüngsten Geistesblitz teilhaben zu lassen?«
Trotz der allgemein düsteren Stimmung stieß Daryus Parkair einen Laut aus, der verdächtig nach einem erstickten Lachen klang. Merlin deutete vor Cayleb eine Verneigung an.
»Selbstverständlich, Euer Majestät. Ich hatte gerade über das Problem nachgedacht, das Seine Lordschaft der Reichsverweser angesprochen hatte – dass wir die gegnerischen Truppen aufhalten müssen. Und das erinnerte mich daran, dass vor langer, langer Zeit ein sehr weiser Mann einmal gesagt hat, nur Anfänger würden taktische Überlegungen anstellen, echte Profis hingegen über Logistik nachdenken. Ich fürchte, wir alle haben den Fehler begangen, uns so sehr auf die Taktik zu konzentrieren, dass wir an andere Möglichkeiten, den Gegner zu verlangsamen, gar nicht mehr gedacht haben.«
»Was für andere Möglichkeiten, Seijin? «, fragte Stohnar nach und blickte Merlin aufmerksam an. Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Seijin aus: Es hatte etwas Kühles, Scharfes, etwas nachgerade Hungriges. Saphiraugen blitzten.
»Ich bin froh, dass Sie fragen, Mein Lord«, sagte er.
.X.
Landstraße von Thesmar nach Cheryk,
Südmark,
Republik Siddarmark
»Was treiben diese Idioten denn da bloß?«, murmelte Colonel Zhadwail Brynygair verärgert. »Außer uns allen auf die Eier zu gehen, natürlich!«
Der Kundschafter schwieg. Vielleicht lag es daran, dass er eine rhetorische Frage als solche erkannte, vielleicht aber lag es auch an Brynygairs Tonfall. Sir Zhadwail stand nicht zu Unrecht in dem Ruf, ein äußerst streitlustiger Zeitgenosse zu sein – und das beschränkte sich beileibe nicht auf das Schlachtfeld.
Er blickte zu seinem Stellvertreter hinüber. Major Ahrnahld Suvyryv war fünfunddreißig Jahre alt und damit zwölf Jahre jünger als Brynygair. Im Gegensatz zu diesem entstammte er bürgerlichen Verhältnissen: Sein Vater war ein wohlhabender Händler aus Gorath. Doch Suvyryv war ein scharfsinniger Bursche mit einem bemerkenswert guten Blick für die Vor- und Nachteile eines Terrains. Anfänglich hatte Brynygair seinem Untergebenen angesichts von dessen gewöhnlicher Herkunft nur Geringschätzung entgegengebracht. Mittlerweile aber wusste er auf Suvyryvs Urteilsvermögen zu bauen. Sie waren sogar zu Freunden geworden … in gewisser Weise. Und dass Suvyryv Mutter Kirche voller Hingabe diente, glich nach Meinung seines Vorgesetzten ein Gutteil jener misslichen Herkunft aus.
»Was meinen Sie denn, was die da treiben, Major?«, knurrte er.
»Das weiß ich auch nicht, Sir«, erwiderte Suvyryv mit genau jener Offenheit, die nach Brynygairs Meinung zu den größten Tugenden des Majors gehörte. Es war eine Tugend, die bedauerlicherweise so manch anderer Kavallerie-Offizier schmerzlich vermissen ließ.
»Laut der Meldung des Sergeants scheint das eine recht gute Stellung zu sein, was die Flankensicherung angeht«, fuhr der Major fort. »Leider ist das Kartenmaterial noch schlimmer als sonst. Nun, es geht ja schließlich auch nicht um die ersten Dutzend Schritte zu beiden Seiten der Landstraße oder um das Flussufer. Aber so wie es aussieht«, er wedelte mit den Skizzen, die der
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