Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
und das Gewicht der Leichen verwandelte die Regimenter in eine reglose Masse, der keine Flucht mehr gelingen konnte.
Ein verwundeter Drache schrie vor Schmerz und Zorn. Er stemmte seine sieben Tonnen Lebendgewicht auf die beiden hinteren Beinpaare und schlug mit den Vorderbeinen nach allem, was sich in der Nähe befand. Dann stampfte er los nach Norden, unaufhaltsam. Anders als ein Infanterist oder ein Pferd, besaß dieser Drache die Masse und die Kraft eines Molochs. Er zertrampelte Männer und Pferde gleichermaßen, stürmte die Landstraße hinab, und das aufgeprotzte Geschütz, das immer noch an seinem Geschirr hing, zermalmte unter eisenbeschlagenen Rädern Knochen und Fleisch.
Und noch während im Wald Mahndrayn um Mahndrayn abgefeuert wurde, kamen Hanths Matrosen wieder über den Kamm gestürmt.
Es war Colonel Tohmpsyn und Colonel Barwail gelungen, ihre Männer in Formation zu halten. Die vorderste Reihe war in die Knie gegangen und hatte die Gewehre auf den Kamm angelegt, während die dahinterstehende Reihe über die Köpfe der Kameraden hinweg die Waffen im Stehen zum Schuss vorbereitete. Die Männer waren zutiefst erschüttert; mancher von ihnen stand unverkennbar kurz vor der Panik. Doch sie waren eben auch disziplinierte, gut ausgebildete Soldaten, deren Offiziere ihr Vertrauen verdienten. Sie wussten, was sie mit ihren Gewehren ausrichten konnten, und so warteten sie auf den Schießbefehl.
Doch genau damit hatte Hanth gerechnet: Als seine Matrosen-Infanterie den Kamm erreicht hatte und über dessen ganze Breite ausgeschwärmt war, ging sie augenblicklich in Bauchlage. Normalerweise wären nur Köpfe und Schultern noch zu sehen gewesen. Doch das dichte Gras auf der Kuppe bot beste Deckung. Aus dieser sicheren Position heraus eröffneten die Matrosen erneut das Feuer.
Kugeln wogten Dohlars Infanterie entgegen. Die Männer standen in dichter Formation und waren dem Gegner schutzlos ausgeliefert. Dieses Mal feuerten die Matrosen keine Salve ab: Jeder Mann zielte nach eigenem Ermessen und schoss, so rasch das eben ging. Genau das war die Doktrin, die Sir Kynt Clareyk für die neuen Hinterlader entwickelt hatte. Die Dohlaraner konnten ihren Feind kaum ausmachen, und sie standen in der klassischen engen Formation der Musketiere, nicht in der lockeren Reihe von Gewehrschützen . Deswegen konnte sich ein Charisianer, der sein Ziel verfehlte, fast sicher sein, dass die Kugel dennoch nicht vergeudet war: Sie würde schon ein anderes, ebenso lohnenswertes Ziel treffen. Die Angriffsfläche, die die Dohlaraner boten, war mit der der Charisianer überhaupt nicht zu vergleichen.
Das Gleiche galt auch für die Schussraten der Kontrahenten. Die Dohlaraner waren zweifellos gut ausgebildet: Das Nachladen ihrer Steinschlossmusketen gelang ihnen in weniger als fünfzehn Sekunden. Aber dafür mussten sie aufrecht stehen, und die Charisianer, die ihnen im Verhältnis drei zu zwei überlegen waren, konnten alle fünf Sekunden feuern … und das aus der Bauchlage heraus, in der sie selbst fast unmöglich zu treffen waren.
Es war ein Massaker. Welle auf Welle aus todbringenden Kugeln war mehr, als der disziplinierteste Soldat ertragen konnte. Es war mehr, als selbst Männer erdulden konnten, die sicher waren, für Gott zu kämpfen. Blut, Schreie und Shan-weis Pulvergestank umgaben sie von allen Seiten. Das alles zusammen brachte das Fass zum Überlaufen: Die Infanterie feuerte eine einzige Salve ab. Dann erfasste unerbittlich Chaos, Verwirrung und Tod die dohlaranischen Reihen.
Weniger als ein Viertel der Infanteristen lebte lange genug, um überhaupt noch die Flucht anzutreten.
Das Blutbad, das man, wie Graf Hanth vermutete, später sicher die ›Schlacht von Thesmar‹ nennen würde, dauerte zwanzig Minuten. Weniger als fünf Minuten davon hatten darin bestanden, den Angriff der Dohlaraner abzuwehren. Die restlichen fünfzehn Minuten waren ein einziges Schlachtfest gewesen. Unablässig hatten seine Marines auf die Kolonne gefeuert, die hilflos auf der Landstraße feststeckte. Hanths eigene Verluste beliefen sich auf weniger als vierzig Mann.
Also, ihr Dreckskerle , dachte er rau und blickte zu jener stöhnenden, schluchzenden, blutüberströmten Masse verwundeter und sterbender Dohlaraner hinüber, die wie ein widernatürlicher Teppich die ganze Landstraße bedeckte, mit dem Kinderspiel ist es jetzt vorbei. Das habt ihr inzwischen wohl verstanden, oder? Er fletschte die Zähne. Dann schauen wir doch mal, ob wir euch
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