Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
einer Geschwindigkeit von dreihundert Schritt pro Sekunde weiter. Kurz darauf ritt eine Signalrakete, fünfzehn Schritt neben Green Valleys Kommandostand aufgebaut, auf loderndem Flammenschweif dem klaren Morgenhimmel entgegen. Weiter und weiter stieg sie auf. Dann zerbarst sie in einem prächtigen Farbenspiel.
»Was zur …?«
Gorthyk Nybar kniff die Augen zusammen, als dieses … dieses Was-auch-immer über den Schützengräben der Ketzer zum Himmel aufstieg. Kurz durchzuckte ihn etwas, das ihm selbst entschieden zu sehr wie Angst vorkam. Doch er beruhigte sich rasch. Natürlich, solche … Signalraketen – genau: so hießen die! – hatten die Ketzer doch schon öfter verwendet! Er selbst hatte so etwas bislang bloß noch nie mit eigenen Augen gesehen. Nun blickte der Bischof ihr fast schon neugierig hinterher. Höher und höher stieg die kleine Rakete auf. Dann zerplatzte sie und zauberte ein ganzes Dutzend leuchtender Lichtspuren in den Himmel. Im Schein der Morgensonne waren sie kaum zu erkennen, doch bei Nacht hätte es gewiss beeindruckend gewirkt.
»Was ist das, Sir?«, fragte einer der Divisionsmeldegänger mit von Angst erstickter Stimme. Nybar schnaubte leise.
»Ich glaube, so etwas nennt man ›Rakete‹, Private«, antwortete er. »Sieht ja ganz nett aus. Aber deswegen muss man sich wirklich keine Sorgen machen – damit kann man bloß Signale übermitteln.«
»Oh. Öhm, ich meine: Ich danke Ihnen, Mein Lord!«, erwiderte der Melder hastig und lief knallrot an, als ihm bewusst wurde, dass er den Bischof vermutlich mitten in einem Gedankengang unterbrochen hatte. Nybar bemerkte es und lächelte. Doch das Lächeln auf seinem Gesicht verblasste, als er über seine eigenen Worte nachdachte.
Ein Signal , ging ihm auf. Wem in Shan-weis Namen will Stohnar denn hier ein Signal zukommen lassen … und warum?
Einen Augenblick später fand er es heraus.
Wegen seines Nachnamens wurde Lieutenant Hairym Clyntahn von der Imperial Charisian Army bereits seit seinem ersten Tag beim Militär gnadenlos aufgezogen.
Er konnte es seinen Kameraden nicht einmal verdenken. Aber auch mit noch so viel Verständnis wurde es kaum erträglicher. Außerdem war er zutiefst enttäuscht. Man hatte seinen dringenden Wunsch, Kavallerieoffizier zu werden, allein aus dem dämlichen Grund abgelehnt, dass er im Sattel aussah wie ein ganz besonders schlecht gepackter Sack Kartoffeln. Dann hatte er herausgefunden, dass man ihm nicht einmal das Kommando über einen Infanterie-Zug übertragen hatte. Stattdessen hatte man ihn wissen lassen, er werde das Kommando über einen Stabs- und Versorgungszug übernehmen … und es so klingen lassen, als sei das etwas ganz Besonderes. Natürlich hatte Hairym Clyntahn es besser gewusst. Aber er war nun einmal Chisholmianer. Er liebte seine Kaiserin – und jetzt auch seinen Kaiser. Und er liebte die Kirche. Nicht die Kirche, für die ein gewisser Zhaspahr Clyntahn stand, sondern die Kirche Maikel Staynairs. Deswegen war er auch voll und ganz bereit, bei der Armee wirklich jede Aufgabe zu verrichten, die man ihm auftrug.
Junge, habe ich mich geirrt! , dachte er nun und wandte sich seinem Platoon Sergeant zu, als hoch über ihren Köpfen die Rakete explodierte. Kavallerie?! Pah! Die könnt ihr behalten!
»Zweitausend Schritt, für Luftdetonation vorbereiten!«, meldete er zackig.
»Zweitausend Schritt, Luftdetonation, jawohl, Sir!«, erwiderte der Platoon Sergeant und blickte den nächststehenden Truppführer scharf an. Der Befehl wurde von jedem einzelnen Truppführer wiederholt. Schließlich nickte Clyntahn.
»Feuer!«
Der Stabs- und Versorgungszug des Ersten Bataillons des Dritten Regiments bestand aus vier Trupps, und jeder war für drei Dreizoll-Mörser verantwortlich. Sonderlich reizvoll sahen diese Waffen nicht aus: ein Vier-Fuß-Rohr, montiert auf eine Stahlplatte. Ein Zweibein darunter war mit einem Stellrad ausgestattet, mit dem sich der Höhenrichtwinkel des Rohrs genau einstellen ließ. Die Projektile für den Mörser sahen so aus: Gesamtgewicht zehn Pfund, am Ende eines jeden Projektils ein kurzer Schaft, an dessen Körper mehrere Bolzen: Diese sogenannten Führungswarzen passten genau in die Züge des Rohrs, in das die Granate durch die Mündung hineingeschoben wurde. Der Schaft an der Spitze wurde dabei mit einem dicken Filzring mit Schießpulver umwickelt – einer sogenannten Ringladung. Der Verschluss am unteren Ende des Rohrs wurde mit einem Zündhütchen versehen. Wenn dann
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