Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
denn?«, erkundigte sich Verryn und blickte nacheinander Vater und Sohn an. Paidryg schüttelte den Kopf.
»Das weiß ich auch nicht«, sagte er mit heiserer Stimme. »Aber was auch immer das ist: es kommt den Kanal rauf, vom Ascheneis. Und es spuckt Rauch wie Shan-wei persönlich!«
»Was?« Verdutzt blickte Verryn ihn an und ließ achtlos die Serviette auf seine Schreibtischunterlage fallen. »Es spuckt Rauch? Wovon reden Sie denn da, Paidryg?!«
»Das weiß ich nicht, sag ich doch!« Der ältere Mann schüttelte den Kopf; Angst und Unwissenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben – und Enttäuschung darüber, sich nicht besser ausdrücken zu können. »Das ist … das ist eine Art großer, schwarzer … na ja, Kahn, halt! Aber er sieht aus wie … wie … na ja, wie das Dach von meiner Scheune eben! Und das Ding fährt zweimal so schnell wie jeder Kahn, wo ich je gesehn hab – und da ist nix, was den Kahn ziehen täte! Shan-wei noch mal, Captain – das Ding zieht ja selbst drei Kähne hinter sich her, und gleich dahinter fährt noch so ein Ding! Gyffry hier hat die zuerst gesehen, und er hat mich gerufen. Als ich die Dinger gesehen hab, da hab ich gleich unsere beiden besten Ackergäule gesattelt! Aber obwohl wir quer über die Wiesen geritten sind, ist das Ding vielleicht fünf, höchstens zehn Minuten hinter uns. Ich sag Ihnen …!«
In der Ferne ertönte ein Schrei – ein Entsetzensschrei, geisterhaft unwirklich. Tybyt wäre völlig außerstande gewesen, ihn zu beschreiben: Denn so etwas hatte er noch nie gehört. Der Schrei ging weiter und weiter, hörte überhaupt nicht mehr auf … bis er schließlich in ein entsetzliches, heulendes Schluchzen überging. Diese Veränderung riss Verryn aus dem Sessel; die Teeflecken auf seinem Kasack waren vergessen.
»Geben Sie Alarm, Zhermo! Lassen Sie den Trupp vom Dienst antreten – sofort! «
»Das dürfte wohl reichen«, entschied Halcom Bahrns, als Ahbukyra Matthysahn erneut nach der Leine griff. Der Signalgast bedachte ihn mit einem beinahe schon flehenden Blick. Aber Bahrns schüttelte den Kopf und grinste. »Ich bin mir sicher, dass Sie deren Aufmerksamkeit bereits auf sich gezogen haben, Ahbukyra. Jetzt ist es ein Gebot der Höflichkeit, ihnen auch Zeit für eine entsprechende Reaktion zu lassen.«
»Jawohl, Sir.«
Die Enttäuschung im Tonfall des jungen Mannes war unverkennbar. Doch er trat gehorsam einen Schritt zurück. Bahrns wandte sich dem Sehschlitz des Kommandoturms zu. Erst jetzt begriff er, wie sehr er sich daran gewöhnt hatte, seine Umwelt ungehindert betrachten zu können, wann immer er ein Schiff befehligte. Jetzt, wo er nur noch durch diesen engen Sehschlitz blicken konnte, musste er sich redlich beherrschen, nicht einfach die schwere Panzertür des Kommandoturms aufzureißen und sich auf die Nock zu stellen.
Ich sollte wirklich jetzt dort draußen sein , dachte er. Von hier aus kann ich doch überhaupt nichts erkennen! Das stimmte zwar nicht, aber Captain Halcom Bahrns war nicht in der Stimmung, das in diesem Moment zuzugeben. Außerdem sollten mich Harys’ Marines und General Tylmahns Männer sehen können. Die stehen doch sowieso jetzt alle draußen. Wenn die da drüben auf jemanden schießen wollen …
»Einen halben Strich Backbord«, befahl er angespannt. »Wir brauchen freies Schussfeld auf den Pier.«
»Einen halben Strich Backbord, aye, Sir«, bestätigte PO Fyrgyrsyn unerschütterlich. Bahrns’ Mundwinkel zuckten. Der Tonfall des Petty Officers barg einen leisen Tadel: Er ließ seinen Vorgesetzten wissen, dass sie das anstehende Manöver bereits in aller Ausführlichkeit besprochen hatten – schon lange vor ihrem Eintreffen in Fairkyn.
Bahrns ging zur Steuerbordseite des Kommandoturms und spähte durch den dortigen Sehschlitz. Seine Nasenflügel bebten, als er sah, welch ungeheure Verwirrung am Ufer herrschte. Fairkyn war keine große Stadt. Dennoch fanden sich am Ufer eine ganz ansehnliche Zahl an Lagerhäusern und Docks. Hocherfreut nahm er zur Kenntnis, dass dort zahllose Leute nach Kräften die Beine in die Hand nahmen.
Wahrscheinlich hätte der Rauch allein schon gereicht , sinnierte er, aber die Signalpfeife hat das Ganze natürlich noch gesteigert. Der junge Ahbukyra wollte ganz auf Nummer sicher gehen.
Er schüttelte den Kopf und erinnerte sich daran, wie er selbst reagiert hatte, als ihm der unglaublich schrille Pfiff der Dampfpfeife zum ersten Mal fast das Trommelfell zerrissen hatte: Hinter einem solchen
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