Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Ihr heute Euer Gespräch bereits habt führen können.«
»Warum?« Fragend neigte Cayleb den Kopf zur Seite. »Habt Ihr heute noch eine Verabredung?«
»Ja.«
Mit zusammengekniffenen Augen starrte Cayleb Merlin an.
»Hat das damit zu tun, dass Ihr letzten Monat so unerwartet verschwunden wart?«
»Gewissermaßen.«
Den Blick des Kaisers erwiderte Merlin ruhig und gelassen. Doch er schien nicht willens, sich weiter zu erklären. Cayleb schaute ihn noch einen Augenblick lang schweigend an, dann holte er tief Luft.
»Also gut«, sagte er. »Könnt Ihr schon einschätzen, wann wir wieder mit Euch rechnen dürfen? Ich frage nur, weil Paityr, Ahndrai und der Rest der Abteilung Euch schließlich decken müssen, falls sich jemand nach Euch erkundigt. Wahrscheinlich wären sie für jeden Hinweis dankbar, wie lange man wohl auf Euch wird warten müssen.«
»Vor Sonnenaufgang sollte ich zurück sein«, versicherte ihm Merlin.
»Dann macht Euch auf den Weg«, sagte Cayleb und nahm die Hand von Merlins Schulter. »Wir sehen uns morgen früh.«
»Sehr wohl, Euer Majestät.«
Merlins Verneigung fiel deutlich förmlicher aus als sonst, wenn sie beide allein waren. Dann wandte er sich ab, eilte die Treppen hinunter und war verschwunden.
Ohlyvya Baytz saß auf dem Balkon und blickte auf den Garten hinab. Kleine Laternen erhellten verschlungene Pfade. Immer wieder zerrissen Nachtwyvernpfiffe die Stille. Die Prinzessinnenwitwe lächelte. Sie bezweifelte, dass Prinz Zhan ihre Anwesenheit bemerkt hatte. Er war ein sehr … direkter junger Mann, genau wie sein älterer Bruder. Doch Ohlyvya war sich sicher, dass ihrer Tochter Mahrya die wachsamen Augen der Mutter nicht entgangen waren. Das war vielleicht auch ganz gut so. Zhan würde in wenigen Monaten fünfzehn Jahre alt, Prinzessin Mahrya war einundzwanzig und äußerst attraktiv – und Zhans Verlobte. In den dreieinhalb Jahren, die vergangen waren, seit die Verlobung arrangiert worden war, hatte sich einiges geändert: Aus einem Jungen, der nicht so recht wusste, was er von dieser ganzen Heiraterei eigentlich halten sollte, war ein sehr gut aussehender, wohlerzogener junger Mann geworden – der alle Neugier dem anderen Geschlecht gegenüber an den Tag legte, die in diesem Alter zu erwarten war. Gewiss, es ging hier um eine arrangierte Ehe aus Gründen der Staatsräson; alles geschah aus kalter politischer Berechnung. Doch seitdem hatten die beiden Verlobten viel Zeit miteinander verbracht. Mittlerweile bestand keinerlei Zweifel mehr, dass Hormone zwischen den beiden durchaus eine Rolle spielten.
Als ob Zhans Hormone nicht ohnehin schon überschießen! Nur gut, dass er eigentlich ein netter junger Mann ist … und Haarahld wie Cayleb ihm klargemacht haben, was für ein Verhalten sich schickt und was nicht. Wenigstens bildet sich Zhan nicht ein, für einen Prinzen wie ihn gälten die sonst üblichen Regeln nicht. Dennoch schadet es wohl kaum, wenn Mahrya weiß, dass ich hier oben sitze. Nicht, dass etwas Unziemliches geschehen könnte, wenn ich nicht hier säße. Ach, selbstverständlich nicht!
Sie stieß ein belustigtes Schnauben aus. Verlobungen waren rechtsverbindliche Eheversprechen, auf deren Einhaltung weltliche und geistliche Macht in Safehold pochten. Hin und wieder, zumindest für die Wohlhabenden und Einflussreichen, bestand die Möglichkeit, eine Verlobung wieder zu lösen. Sonst aber führten Verlobungen unweigerlich zur Ehe. Daher war es nicht ungewöhnlich, wenn eine Frau schwanger vor den Altar trat oder gar von einem kleinen Kind begleitet wurde. Solange sich das mit dem Verlobungszeitraum in Übereinstimmung bringen ließ, sorgte das kaum für missbilligende Blicke. Es galt als stillos, führte aber gemeinhin nicht zu einem Skandal. Doch Prinzen und Prinzessinnen standen mehr im Licht der Öffentlichkeit als andere Verlobungspaare. Ohlyvya hoffte inständig darauf, dass die beiden das noch einige Jahre lang nicht vergaßen. Selbstverständlich wusste sie auch, dass ein intelligentes, einfallsreiches Pärchen mit Leichtigkeit Mittel und Wege fände, sich jedem Aufpasser zu entziehen. Sie wollten halt ungestört ihrer Neugier nachgeben. Doch dieses Problem sah Ohlyvya ganz gelassen. Es war doch viel besser, wenn die beiden einander kennen- und so auch lieben lernten, als wenn Mahrya den für sie vorgesehenen Ehemann vor der Heirat nie zu Gesicht bekommen hätte. Und dabei schadeten ein wenig Neugier und Experimentierfreude gewiss nicht.
Ja, das ist wirklich
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