Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
die fast den Mast gekostet! Und das ist ein Küstenfahrer , nicht jemand, der die letzten sechs Monate in der Siddarmark oder in Chisholm verbracht hat. Haben diese Idioten sich denn nicht die Zeit genommen, in Hafenkneipen ein paar Glas zu kippen und sich dabei wüste Geschichten über uns anzuhören?«
Blahdysnberg unterdrückte ein Lachen. Eigentlich glaubte er nicht, sein Kapitän risse ihm gleich den Kopf ab, wenn er jetzt lachte. Sicher aber war er sich nicht.
»Wissen Sie, Sir, zumindest anfänglich dürfte es sich damit «, mit einer Kopfbewegung deutete er auf die dicken Rauchwolken, die aus den beiden hoch aufragenden Schornsteinen von HMS Delthak aufstiegen, »zu unseren Gunsten auswirken, wenn Tempelgetreue uns aufkommen sehen.«
»Und wie, keine Frage!«, meinte Bahrns. Auch er blickte zu dem dichten Qualm auf. »Bei gutem Wetter sieht man uns mindestens zwanzig Meilen weit.«
»Na ja, Sir, zum Anschleichen sind unsere Bötchen ja auch nicht gedacht«, erwiderte Blahdysnberg fröhlich. »Ehrlich gesagt, hilft es den armen Schweinen ja auch kein Stück, wenn sie uns kommen sehen. Flüchten können sie nicht, das steht mal fest. Und haben wir sie erst mal eingeholt …«
Er beendete den Satz nicht, sondern klopfte nur mit den Fingerknöcheln gegen die Panzerung.
»Na ja, zumindest, wenn wir endlich die verdammten Geschütze an Bord haben«, knurrte Bahrns, nickte dabei aber zustimmend. In Wirklichkeit war er auch gar nicht so erbost darüber, wie man auf sein schnaufendes, Rauch und Dampf speiendes Schiff reagierte. Aber es galt ja immer noch den Schein zu wahren.
Er drehte sich um und blickte ungehindert bis zum Bug der Delthak . Das war doch einfach … falsch. Und dabei war dies nur eine von vielen Absonderlichkeiten seines Schiffes. Anständige Schiffe wurden von achtern aus geführt. Dafür gab es schließlich das Achterdeck, von dem aus Deckoffizier und Rudergänger die Segel im Auge behalten konnten und jederzeit im Blick hatten, was das Schiff gerade tat. Nicht so bei HMS Delthak oder den anderen Kanonenbooten für den küstennahen Einsatz. Nein, Blahdysnberg und er standen auf einer schmalen Plattform, die an eine Brücke erinnerte und aus deren Mitte ein gepanzertes Ruderhaus emporragte: Sir Dustyn Olyvyr nannte das den Kommandoturm. Der Kommandoturm befand sich vor dem massiv gepanzerten Kasemattendeck. Von dieser Position aus ein Schiff zu befehligen lief allem entgegen, was Bahrns als Seemann im Blut hatte. Noch viel unfassbarer war es, dass sich dort auch der Steuermann befand. Aber so war es nun einmal. Bizarr oder nicht: Bahrns musste zugeben, dass diese Anordnung durchaus sinnvoll war.
Sein neues Schiff besaß keine Segel, nach denen man ständig zu schauen hatte. Die Delthak besaß nur einen einzigen Mast – und das war noch nicht einmal ein richtiger. Es war vielmehr ein senkrecht aufgestelltes Rundholz, an dem – neunzig Fuß über dem Kasemattendeck – eine Art Gondel befestigt war: der Platz für den Ausguck des Schiffes. Durch die bugnahe und erhöhte Positionierung von Steuerrad und Kommandoturm hatte man ausgezeichnete Sicht voraus. Und wenn man bedachte, welche Geschwindigkeit die Delthak vorlegen konnte, war das auch wichtig.
Was für ein Schiff: gedrungen, hässlich und mit dem Charme einer alten Scheune , ging es Captain Bahrns durch den Kopf. Trotzdem besaß das Schiff unbestreitbar Ausstrahlung. Mit einer Gesamtlänge von einhundertvierzig Fuß käme die Delthak (laut Sir Dustyns neuen Berechnungsmethoden) auf eine Verdrängung von etwas mehr als zwölfhundert Tonnen (sofern sich bereits die Geschütze und die üblichen Mengen Kohle und Trinkwasser an Bord befunden hätten). Im Augenblick verdrängte sie deutlich mehr: Es schien, als kauere sie schwerfällig und mit angezogenen Schultern im Wasser. Das lag zweifellos an dem einhundertzwanzig Fuß langen Kasemattendeck, das in einem Sechzig-Grad-Winkel schiffseinwärts geneigt war. Zu beiden Seiten war es durch acht Geschützpforten durchbrochen, dabei aber durchgängig schwarz gestrichen, ohne die übliche weiße Strak. HMS Delthak fehlte der anmutige Bug einer Galeone; es gab keinen Wellenbrecher und keinen Spantausfall. Ihr Vorsteven ragte einfach kompromisslos senkrecht aus dem Wasser empor. So wirkte es, als bahne sich das Schiff den Weg durch die schäumenden Wellen starrsinnig und mit Gewalt. Erst vor einer halben Stunde hatte die Delthak den Schlund hinter sich gelassen und war in die Charis-See
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