Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Vater und ich waren mit Eurem Vater verfeindet«, fuhr Cayleb dann übergangslos fort, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Der Junge, der vor ihm stand, brachte tatsächlich den Mut auf, den Blick des Kaisers ebenso unerschütterlich zu erwidern. »Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn wir uns tatsächlich zu Friedensverhandlungen an einen Tisch gesetzt hätten, so wie es geplant war. Vielleicht hätte aber auch das zu keinem besseren Ende geführt. Eines aber versichere ich Euch, bei meiner Ehre und der Ehre des Hauses Ahrmahk und im Angesicht Gottes: Ich habe den Mord an Eurem Vater und Eurem älteren Bruder nicht befohlen; ich habe ihn auch nicht gebilligt oder jene Attentäter gedungen. Ich denke, mittlerweile wisst Ihr, wer tatsächlich dafür verantwortlich ist.« Erneut blickte er auf, schaute kurz Irys und Coris in die Augen, bevor er sich wieder dem Jungen zuwandte. »Ich kann nicht beweisen, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat. Aber Sharleyan und ich haben die Absicht, unsere Treue in Zukunft unter Beweis zu stellen. Deswegen erkennen wir Euch jetzt, vor Eurer Schwester und dem Grafen Coris, Eurem Vormund und Beschützer, als Zeugen förmlich als rechtmäßigen Fürsten von Corisande an.«
Irys schnappte nach Luft, so überrascht war sie, dass Cayleb Derartiges aussprach, ohne Bedingungen zu stellen. Sie hatte erwartet zu hören, unter welchen Umständen Daivyn möglicherweise dereinst Anspruch auf die Krone seines Vaters erheben könnte. Kurz beharrte ihr störrischer Verstand darauf, das müsse eine Finte sein, ein Trick, um sie beide in Sicherheit zu wiegen, bis die tatsächlichen Forderungen ausgesprochen würden. Doch dann wandte sie den Blick von Cayleb ab und schaute Sharleyan an. In dem Augenblick wusste sie, dass ihr Verstand sie getäuscht hatte. Sie wusste, dass Cayleb wirklich meinte, was er gerade gesagt hatte.
»Ich weiß nicht, worauf das alles letztendlich hinauslaufen wird, Daivyn«, fuhr Cayleb fort. »Die Welt befindet sich in Aufruhr. Deswegen können viele furchtbare Dinge geschehen. Das habt Ihr über Euer Alter hinaus schon allzu oft mit eigenen Augen gesehen. Ich kann keine Versprechungen darüber abgegeben, was in Corisande geschieht, wie rasch Ihr wieder in Eure Heimat zurückkehren könnt oder was passieren wird, wenn Ihr dort eintrefft. Aber eines können Sharleyan und ich Euch versprechen: Hier in Tellesberg seid Ihr in Sicherheit, ebenso an jedem anderen Ort in unserem Reich. Niemand wird Euch etwas zu Leide tun, niemand wird Euch bedrohen, und niemand wird Euch dazu zwingen, etwas zu tun, was Ihr nicht aus freien Stücken zu tun wünscht. Abgesehen«, setzte er mit einem unvermittelten Grinsen hinzu, »von den Dingen, die Erwachsene ständig von Kindern erwarten, natürlich. Leider werdet auch Ihr nicht darum herumkommen, die Zähne zu putzen und Euch hinter den Ohren zu waschen, Hoheit.«
Irys spürte, wie ihre Mundwinkel zuckten, und Daivyn lachte sogar laut auf. Dann wandte sich Cayleb Irys und Coris zu.
»Wir werden im Laufe der nächsten Tage – nein: sogar der nächsten Fünftage! – viel zu besprechen haben. In der Zwischenzeit sind Sie willkommene Gäste im Palast. Allerdings sind Sharleyan und ich der Ansicht, es sei aus vielerlei Gründen besser, wenn Sie in Erzbischof Maikels Gästehaus ziehen. Wir an Ihrer Stelle würden uns dort deutlich sicherer fühlen und vertrauen Maikels Sicherheitsvorkehrungen voll und ganz. Angesichts der Terroranschläge und der Attentate, die Clyntahn und seine Schlächter hier in Tellesberg angezettelt haben, bitten wir Sie darum, sich den Anweisungen von Maikels Waffenträgern zu fügen. Darüber hinaus aber dürfen Sie sich frei überall bewegen. Sie können kommen und gehen, wie es Ihnen beliebt – immer vorausgesetzt, Sie befinden sich in Begleitung entsprechender Sicherheitskräfte. Sie alle werden zudem nicht das Alte Königreich Charis verlassen können, ohne dass wir zuvor entsprechende Arrangements getroffen haben. Aber uns ist zu Ohren gekommen, dass Lady Hanth Daivyn und Sie eingeladen hat, sie in der Villa Breygart zu besuchen. Es steht Ihnen, wie gesagt, frei, dorthin oder an jeden anderen Ort im Königreich zu reisen. Tatsächlich wäre es uns sogar eine Freude, wenn Sie unser Kaiserreich und unser Volk kennenlernten – was nicht möglich wäre, hielten Sie sich die ganze Zeit über nur in einem Palast auf.
Wir hoffen aufrichtig, dass Sie – Sie alle – beizeiten erkennen, wer Ihr wahrer Feind
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