Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Vater ermordet wurde. Ich weiß auch, dass all der Hass zwischen ihm und mir Sie beeinflusst hat. Aber dieser Hass bestand eben zwischen ihm und mir, nicht zwischen Ihnen und mir oder Daivyn und mir. Sie sind nicht Ihr Vater, und so fehlerhaft ich auch sein mag, mühe ich mich doch redlich, nicht die Gebote aus der Heiligen Schrift zu vergessen. Ich habe nicht die Absicht, die Kinder eines Regenten für dessen Entscheidungen büßen zu lassen. Sie sind hier in Tellesberg ebenso sicher, wie Sie es in Manchyr jemals sein könnten. Ich habe meinen Vater verloren, Cayleb ebenso; Daivyn und Sie haben ebenfalls Ihren Vater verloren und Ihren Bruder noch dazu. Ich denke, wir alle täten gut daran, aus diesem Verlust eine Lehre zu ziehen. Wir sollten versuchen, eine Welt zu erschaffen, in der Kinder nicht befürchten müssen, so früh diejenigen zu verlieren, die ihnen am Herzen liegen. Ich vermag natürlich nicht für den Allmächtigen zu sprechen. Aber ich glaube, Er würde es mit einem freudigen Lächeln begrüßen, wenn es uns gelänge, aus derart großem Schmerz und derart unerträglichen Verlusten doch ein wenig Gutes erwachsen zu lassen.«
Irys blickte der Kaiserin in die bemerkenswert großen braunen Augen und las nichts als Aufrichtigkeit darin. In diesem Moment schmolz tief im Herzen der Prinzessin ein letzter kalter Rest von Furcht und Misstrauen. Zu erkennen, dass die Kaiserin jedes ihrer Worte ernst meinte, erfüllte Irys nicht plötzlich mit Zuversicht, was ihre Zukunft anging, die ihres Fürstentums oder die ihres Bruders. Irys glaubte auch nicht plötzlich, Wohlwollen allein könne über die Zukunft entscheiden. Diese Lektion musste jedes Kind eines Regenten bereits in jungen Jahren lernen, und die Welt war ein erbarmungsloser Lehrmeister. Die Lektionen, die Irys selbst hatte meistern müssen, waren härter gewesen als bei vielen anderen. Es würde sich erst noch zeigen, welchen politischen Schwierigkeiten Daivyn und sie sich noch stellen müssten und welche Entscheidungen sie möglicherweise erneut in Konflikt mit dem Haus Ahrmahk brächten. Das alles wusste Irys. Doch anders als Zhaspahr Clyntahn waren Cayleb und Sharleyan Ahrmahk weder Ungeheuer in Menschengestalt noch Lügner. Vielleicht war das Kaiserpaar dem Fürstentum Corisande immer noch feind, oder sie würden dereinst wieder zum Feind werden. Aber selbst dann wären sie ehrenhafte Feinde. Was Kaiser und Kaiserin gerade gesagt hatten, meinten sie ernst und stünden gar mit ihrem Leben dafür ein.
»Der Gedanke gefällt mir, Eure Durchlaucht«, hörte sich Irys selbst sagen, und ihre Lippen bebten. »Zum Weinen haben wir den Allmächtigen wahrhaft genug Anlass gegeben«, fuhr sie fort und sah Sharleyan wohlwollend nicken. »Es ist an der Zeit, Ihn wenigstens hin und wieder zum Lächeln zu bringen.«
.V.
Delthak-Werke,
Baronie High Rock,
Altes Königreich Charis,
Kaiserreich Charis
»Also, es sieht zumindest schon mal beeindruckend aus, Ehdwyrd«, bemerkte Pater Paityr Wylsynn trocken. »Jetzt sollte es bloß nicht explodieren und uns alle in den Tod reißen.«
»Ihr Misstrauen erschüttert mich, Pater«, erwiderte Ehdwyrd Howsmyns dem Intendanten des Kaiserreichs Charis gelassen. »Dabei habe ich Ihnen Doktor Mahklyns sämtliche Berechnungen doch vorgelegt. Auch Meister Huntyr und Meister Tairham leisten ausgezeichnete Arbeit.« Er deutete auf die zwei Mitarbeiter, die in gebührendem Abstand hinter Chef und Intendanten warteten. »Außerdem läuft das kleinere Modell jetzt schon seit mehr als zwei Monaten ohne jeglichen Zwischenfall.«
Wylsynn und Howsmyn standen Seite an Seite unter einer dichten Rauchdecke, die auf den Delthak-Werken lastete. Der Komplex diesen Namens lag wie die anderen, von denen er sich durch den Namen unterschied, am Lymahn-See in der Baronie Green Field. Daneben gab es noch zwei Anlagen in der Nähe von Tellesberg, die derzeit ebenfalls beträchtlich ausgeweitet wurden. Bald würde ein weiteres neu errichtetes Werk vor den Stadttoren von Maikelberg im chisholmianischen Herzogtum Eastshare dazukommen. Noch nie in Safeholds Geschichte hatte ein einzelner Mann in einer Größenordnung wie dieser Eisenverhüttung betrieben – und die Delthak-Werke waren die größten und produktivsten seiner Anlagen. Vor Ehdwyrd Howsmyn hatte niemand auch nur im Traum daran gedacht, derart gewaltige Anlagen zu bauen. Der Ausstoß der Delthak-Werke ließ sämtliche anderen Eisenhütten in Safeholds Geschichte nachgerade zwergenhaft
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