Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Er hatte ernstlich Schwierigkeiten dabei. Gut, die Rohstoffe, die gemäß den ›Erzengeln‹ benutzt werden durften, boten ungleich mehr Möglichkeiten, um Artillerie aus dem Prä-Merlin-Zeitalter und entsprechende Sprengladungen auszubauen, als die meisten Safeholdianer gedacht hätten. Und, zugegeben, Rahzwail befand sich unbestreitbar im Vorteil. Schließlich hatten ein gewisser Merlin Athrawes und dessen Freund Owl der Pyrotechnik auf Safehold Vorschub geleistet. Dennoch war Rahzwails kurze Zusammenfassung weiterer Optionen geradezu atemberaubend gewesen. Mit ein paar Sätzen hatte er Ideen skizziert, die zwei Jahrhunderte Terras überspannten: die Entwicklung vom gekörnten Pulver von Terras siebzehnten Jahrhundert über Thomas Rodmans prismatisches Pulverkorn, das auf Terra erst im neunzehnten Jahrhundert entwickelt worden war, bis zum sogenannten Kakaopulver aus den neunziger Jahren desselben Jahrhunderts.
Und dabei weiß er noch gar nichts von Sahndrahs kleiner Entdeckung! Großer Gott, was wird diesen Leuten wohl als Nächstes einfallen?
Merlin wusste es nicht. Er saß am Konferenztisch und blickte zwischen Sir Ahlfryd Hyndryk und Ahldahs Rahzwail hin und her. Eines wusste er: Er bräuchte sich deutlich weniger Sorgen zu machen, wie die beiden es wohl aufnehmen würden, welche Informationen der Verräter in Hairatha Zhaspahr Clyntahn zugänglich gemacht hatte.
Clyntahn kann jedes Geheimnis stehlen, das er haben will, und trotzdem wird er immer weiter ins Hintertreffen geraten , dachte Merlin mit grimmiger Befriedigung. Selbst wenn ich nicht in der Ecke stehen und dezent die eine oder andere Idee beisteuere, überflügeln unsere Leute ihn. Genau deswegen wird dieser Dreckskerl auf jeden Fall verlieren. Egal, wie viel Männer er noch in die Schlacht schickt, unser Volk – mein Volk! – wird ihnen auf dem ganzen Weg zurück in den Tempel Arschtritte verpassen! Und dann wird Clyntahn endlich den angemessenen Preis zahlen – den Preis dafür, dass er und seine kranken, sadistischen Schlächter Gwylym Manthyr und all die anderen ermordet haben.
»Das klingt nach einer sehr interessanten Idee, Captain«, sagte er schließlich. Ruhig und konzentriert sah er Rahzwail an. »Haben Sie schon eine Vorstellung, wie sich das bewerkstelligen ließe? Mir kommt gerade eine Idee: Was wäre, wenn Sie eine Art Tülle verwendeten – vielleicht eine Düse mit genau den richtigen Maßen, durch die Sie dann das Schießpulver hindurchpressen? Dazu müsste man es natürlich zuvor zu einer Art Paste anrühren. Aber der Druck von einer von Meister Howsmyns Hydraulikpressen würde gewiss ausreichen. Dann bekämen Sie …«
.IX.
Palast des Erzbischofs,
Tellesberg,
Altes Königreich Charis,
Kaiserreich Charis
Schon erstaunlich, wie ähnlich Manchyr und Tellesberg einander sind – und dabei doch grundverschieden , dachte Irys Daykyn. Sie stand auf dem Balkon und blickte auf die Hauptstadt von Charis hinab. In Tellesberg war es deutlich kühler; hier herrschte nicht die sengende Hitze von Irys’ Geburtsstadt. Schließlich war Tellesberg beinahe doppelt so weit vom Äquator entfernt. Auch Blumen und Bäume sahen hier völlig anders aus; doch sie leuchteten im gleichen hellen Grün. Lady Hanth, eine passionierte Botanikerin, verbrachte hier viel Zeit, vor allem seit ihrer Heirat. Eifrig hatte sie die zahllosen Unterschiede zwischen der Pflanzenwelt ihrer neuen und ihrer alten Heimat, den nördlichen Regionen von Chisholm, verzeichnet und katalogisiert. Diese Aufzeichnungen hatte sie nun ihrem Gast zur Verfügung gestellt. Im Austausch dafür erhielt sie Irys’ ganzes Wissen über die Botanik von Corisande. Gemeinsam stellten sie ihr Wissen zu einem Buch für die Nachwelt zusammen. Im Zuge dessen hatten sie auch schon mehrmals Kaiser Caylebs Königliche Hochschule aufgesucht und mit Dr. Fyl Brahnsyn gesprochen, dem Leiter der Botanischen Abteilung.
Irys’ Hand schloss sich fester um das Geländer des Balkons, als sie an die Besuche dort zurückdachte. Sie erinnerte sich gut daran, was ihr Vater über die Hochschule gesagt hatte. Natürlich hatte er sofort erkannt, welche Vorteile sie König Haarahld verschaffte – und um genau diese Vorteile hatte er den alten Rivalen beneidet. Doch zugleich hatte ihr Vater darin auch Haarahlds größte Schwäche gewähnt. Und mit beidem hatte er recht , dachte Irys nun. In derlei Dingen hatte ihr Vater eigentlich meistens recht gehabt. Sie wusste, wie kurz davor er gewesen war, es ihm
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