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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufgewirbelten Schnees.
    »Wieviel Proviant haben wir noch?« fragte die Trubetzkoi.
    »Wenn wir sparsam leben, für vier Tage«, antwortete Ninotschka.
    »Stimmt es, daß Sie schießen können wie ein Mann?«
    »Ich bin auf allen Jagden meines Vaters mitgeritten.« Ninotschka sah der Schneewolke nach. Borjuschka, dachte sie zärtlich, wir werden Sibirien erobern!
    »Wir müssen damit rechnen«, sagte die Trubetzkoi nachdenklich, »daß man nur uns Frauen nach Sibirien hineinläßt und die Männer zurückschickt. Wissen wir, welche Befehle die Kommandanten der Festungen haben, die wir passieren müssen? Es kann sein, daß unsere Kutscher eingesperrt werden.«
    »Dann lenken wir die Pferde selbst.«
    »Keine von uns hat das gelernt.«
    »Dann üben wir es!« Ninotschka knöpfte ihren Pelzmantel zu. »Fürstin, wir haben viel Zeit und offenes Land vor uns, um zu lernen, wie man mit Zügel und Peitsche umgeht. Ich schlage vor, wir setzen uns nicht mehr hinten in die Schlitten, sondern nach vorn neben die Kutscher. Bis zum Ural sollten alle Frauen einen Schlitten lenken können.«
    »Ein guter Vorschlag.« Die Trubetzkoi zog ihre dicken Fellhandschuhe an. »Und auch das Schießen müssen Sie mir beibringen, Ninotschka Pawlowna.«
    Fünf Tage fuhren sie durch Schnee und klirrende Kälte. Fünf Nächte verbrachten sie im Schlitten, eingewühlt ins Stroh und in Decken gehüllt. Fünf einsame Tage und Nächte in einem Land, das unter den weißen Schneemassen wie erstorben schien. Kein Dorf war zu sehen, kein Haus, kein Tier, kein Mensch – nur einsame Weite, schweigende Wälder, Felsen und eine markierte Straße, die hineinführte in das wildgezackte Gebirge, hinauf zu dem Paß, der den Ural mit Sibirien verband. Mit jenem jungfräulichen Land, das im Winter ein unendliches weißes Grab war, im Frühjahr, wenn Ob und Irtysch über die Ufer traten, eine Wasserwüste, im Sommer eine brütende, glutende Pfanne und im Herbst ein Becken voll Schlamm … Alles überdimensional, alle Maße sprengend, unbegreiflich in Schönheit und Feindseligkeit.
    Die Pferde der Frauen, diese edlen Tiere aus den besten Gestüten, waren die ersten, deren Kraft erlahmte. Sie hielten das mörderische Tempo der Sträflingsschlitten und der Kosaken nicht durch, wurden mager und knochig wie uralte Mähren und schwankten nur noch vor den Schlitten, stolperten und waren zu schlapp, um zu fressen.
    Während einer Rast ging Miron Fedorowitsch herum und zählte die Gäule, die seiner Meinung nach die Uralhöhe nicht mehr erreichen würden. Es waren vierzehn Tiere, die irgendwo im Gebirge zusammenbrechen würden, weil sie nicht mehr die Kraft hatten, die Schlitten die steile Gebirgsstraße hinaufzuziehen.
    »Es wird eine Katastrophe, Hochwohlgeboren«, sagte der Kutscher zur Ninotschka. »Wir müssen neue Pferde haben. Gebe Gott, daß wir bald durch ein Dorf kommen, sonst sind wir verloren.«
    Am nächsten Tag schickte Miron einige Kutscher aus, um die Umgebung auszukundschaften. Man hatte jetzt zwei Schlitten hintereinandergebunden und ließ sie von drei Pferden ziehen. Dadurch konnte sich immer eines erholen. Aber auch das war keine Lösung. Die Tiere dampften wie die Suppenkessel. Außerdem war es ein Wahnsinn, auf diese Weise ein Gefährt zu lenken. Der hinterste Schlitten kam ständig aus der Spur, stellte sich quer oder wurde umgerissen. Das kostete Zeit und doppelte Kraft, um trotz der Verzögerung die Deportiertenkolonne wieder zu erreichen.
    Wie Ninotschka vorgeschlagen hatte, saßen jetzt auch die Frauen abwechselnd auf dem Kutscherbrett und lernten, wie man Pferde lenkt. Miron hatte begonnen, aus drei Frauenkleidern eines für seine Größe zu nähen und probierte das komische Gebilde bei einer Rast heimlich an. Ninotschka, die ihn dabei überraschte, starrte ihn sprachlos an.
    »Wenn es wahr ist, daß man nur die Frauen nach Sibirien hineinläßt, Hochwohlgeboren«, erklärte der Kutscher etwas verschämt, »dann werde ich eben auch eine Frau sein. Ich habe geschworen, Sie nie aus den Augen zu lassen.«
    »Aber Miron!« Die Treue des Riesen rührte Ninotschka. »Man wird rasch herausfinden, daß du ein Mann bist!«
    »Wie denn, Hochwohlgeboren? Es wird niemand wagen, mir unter die Röcke zu gucken!« Er ging in dem halbfertigen Kleid mit wiegenden Hüften hin und her und sah Ninotschka enttäuscht nach, als sie lachend zu den anderen Frauen zurückkehrte.
    Am zehnten Tag hatten die ausgeschickten Kutscher Erfolg. Abseits der Straße lag ein

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