Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
Tätowierung gesehen, die zwischen den Augenbrauen begann und sich dann zum kahl rasierten Schädel hochzog. Das Zeichen der Senphoren. Er wusste, dass ihrer Korporation einer der Geistboten zugeteilt war, um im Notfall schnell dem Hauptheer Nachrichten übermitteln zu können, doch hatte er ihn bisher nicht zu Gesicht bekommen.
Dieser Senphora hier hatte jedenfalls bei der Einsatzbesprechung des Korporals eisern versucht, eine steinerne Mimik beizubehalten. Dabei irrten seine Augen jedoch die ganze Zeit umher und seine Hände konnte er kaum ruhig halten; ständig fuhren sie fahrig an seinem Kinn entlang oder spielten mit den Säumen seines Mantels.
„Die Kompanie vom Haus Trevante wird den Durchgang zum Pass nicht mehr lange halten können, ohne dass dieser Kampf zu einem Massenselbstmord für uns wird“, hatte der Korporal eröffnet. „Die Übermacht ist erdrückend und der Ausgang unvermeidlich. Bevor es so weit kommt, wird der Hauptmann den Rückzug befehlen; kein Kontrakt kann das von uns verlangen. Doch vorher muss General Kelam von der Bedrohung seiner Flanke erfahren.“
Klar. Wenn diese Streitmacht in seine Flanke gelangte, ohne dass er sich darauf ausreichend vorbereiten konnte, sah es für die Dritte Armee schlecht aus. Doch hatte Auric gedacht, die Botschaft sei längst von ihrem Senphoren übermittelt worden; dazu war er schließlich da. Den verdutzten Blicken der anderen nach zu schließen, musste ihnen der gleiche Gedanke durch den Kopf gehen.
Ihr Korporal fuhr fort. „Da es aus irgendeinem Grund dem Senphoren nicht gelungen ist, seine Nachricht zu senden …“
„Das ist vollkommen unerklärlich und ohne Beispiel“, wandte sich der Senphora in Richtung des versammelten Trupps. „Ich habe nicht mal eine Signatur in die Ätherschicht des Velliniums prägen können, ganz zu schweigen von der eigentlichen Botschaft. Es ist, als ginge mein Impuls vollkommen ins Leere, als verfange er sich irgendwo im Ungefähr.“ Irgendetwas musste diesen unanfechtbaren, erlauchten Geistboten gehörig aus der Bahn geworfen haben. Was wandte er sich mit dieser peinlichen Erklärung an die Soldaten des Trupps, was für ein Interesse sollten sie daran haben?
„Jedenfalls“, unterbrach ihn der Korporal mit einem Aufflackern im Blick, der Aurics Irritation, aber keinen Funken seiner wachsamen Amüsiertheit spiegelte, „stellt eine Senphora-Botschaft wahrscheinlich die einzige Möglichkeit dar, General Kelam über die Bedrohung seiner Flanke so rechtzeitig zu informieren, dass er geeignete Maßnahmen ergreifen kann. Ein berittener Bote ist zwar schon unterwegs, doch es ist unbedingt notwendig, dem General mehr Zeit zu erkaufen. Dieser Mann muss um jeden Preis geschützt werden. Und wir sind seine Leibwache. Wir eskortieren ihn aus der Gefahrenzone und bringen ihn an einen Ort, von wo er seine Botschaft senden kann.“
„Der Ort. Das ist der Punkt. Wahrscheinlich ist der Ort der entscheidende Faktor. Es muss sich um ein einmaliges geomatisches Feld handeln, etwa im Zusammenhang mit den kinphaurischen Turmruinen oder dem Blutland.“ Nein, nicht sie waren es, denen seine Einwürfe galten; dieser Senphora dort argumentierte hektisch mit sich selber. „Ein solches Phänomen wurde zwar bisher nicht dokumentiert. Jedenfalls steht zu erwarten, dass eine Ortsveränderung auch den Block außer Kraft setzt.“ Eine kurze, lippenbeißende Pause. Dann ein vehementes Rucken des Kopfes. „Davon ist gewiss auszugehen.“
Wenn es dem Senphora gelungen sei, seine Botschaft abzuschicken, sollten sie einen Phosphorpfeil in den Himmel schießen, als Botschaft an den Hauptmann, ihre aufreibende und unhaltbare Blockade des Passes aufzugeben und sich zurückzuziehen.
Während der ganzen Zeit ihres Rittes hatte der Korporal vor ihnen sich nun immer wieder in regelmäßigen, ungeduldigen Abständen an den Senphora gewandt, und aus den Bewegungen der Rückseite seiner Kapuze war jedes Mal ein Kopfschütteln abzulesen. Der „Block“ hing anscheinend über dem Land wie eine ausgedehnte träge Dunstglocke.
„Ist das gut oder schlecht?“
Sie hatten in Kolonne angehalten.
„Ich kann es nicht sagen“, hörte Auric den Senphoren auf die Frage des Korporals antworten. „Jedenfalls ist dort etwas, das für mich spürbar ist. Das ist immerhin schon mehr als ich feststellen konnte, seit ich zum ersten Mal versucht habe, den Ruf an General Kelams Senphoren abzuschicken. Ich kann nur sagen, da ist etwas, wo vorher nur
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