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Nippon-Connection

Nippon-Connection

Titel: Nippon-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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brauchte, um zu verstehen, daß etwas schiefgelaufen war. Wie er einen Augenblick erstarrte, dann ihren Kopf in die Hand nahm, ihn vor-und zurückbog, sie aufzuwecken versuchte, schließlich von ihr abließ. Obwohl man ihn nur von hinten sah, konnte man sein Entsetzen förmlich spüren. Er bewegte sich langsam, wie in Trance. Mit ziellosen kurzen Schritten ging er im Raum auf und ab, hierhin und dorthin. Er versuchte offensichtlich, einen klaren Kopf zu bekommen, versuchte, einen Entschluß zu fassen.
    Bei jeder Wiederholung dieser Sequenzen empfand ich etwas anderes. Die ersten Male packte mich eine Spannung, eine voyeuristische, fast sexuelle Erregung. Aber dann grenzte ich mich immer stärker davon ab, betrachtete alles eher analytisch, so als entfernte ich mich räumlich davon, als träte ich immer weiter von den Monitoren zurück. Am Schluß schien sich die ganze Szene vor meinen Augen zu zerlegen, die beiden Körper verloren ihre menschliche Identität, wurden zu Abstraktionen, zu Bestandteilen eines Musters, das sich im dunklen Raum bewegte.
    Theresa sagte: »Dieses Mädchen ist krank.«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Sie ist kein Opfer. Die nicht.«
    »Vielleicht haben Sie recht.«
    Wir schauten uns den ganzen Vorgang noch einmal an, aber ich sah eigentlich keinen Sinn mehr darin. »Machen wir weiter, Theresa!« sagte ich schließlich.
    Wir hatten die Sequenz bis zu einer bestimmten Stelle des Bandzählwerks laufen lassen und dann wieder zurückgespult. Einen Teil des Bandes hatten wir also immer wieder angesehen, aber weiter waren wir nicht gekommen. Nun, fast unmittelbar nachdem wir über die Stelle hinausgegangen waren, passierte etwas Auffälliges: Der Mann blieb stehen und blickte zur Seite, als habe er dort etwas gesehen oder gehört.
    »Der andere?« fragte ich.
    »Vielleicht.« Theresa deutete auf die Monitoren. »Das ist der Teil der Bänder, auf dem die Schatten nicht übereinstimmen. Jetzt wissen wir, warum.«
    »Ist etwas gelöscht worden?«
    Sie spulte das Band zurück. Auf dem Monitor, der die Seitenansicht brachte, sahen wir, wie der Mann in Richtung Ausgang blickte. Wahrscheinlich hatte er jemanden entdeckt. Aber er wirkte weder ängstlich noch schuldbewußt.
    Theresa zoomte auf ihn. Der Mann erschien nur als Silhouette.
    »Man kann nichts sehen, oder?«
    »Das Profil.«
    »Was ist damit?«
    »Ich schaue mir gerade die Kinnlade an. Ja. Sehen Sie es? Sie bewegt sich. Er spricht.«
    »Mit dem anderen Mann?«
    »Oder mit sich selbst. Nein, er schaut zu jemand anderem hin. Und jetzt, sehen Sie - plötzlich hat er wieder Auftrieb.«
    Der Mann ging im Konferenzraum herum. Er wirkte nun zielstrebig. Ich erinnerte mich daran, wie verwirrend dieser Teil gewesen war, als ich mir das Band in der Nacht zuvor in der Zentrale angesehen hatte. Aber mit den Aufnahmen von fünf Kameras wurde die Sache klar. Wir sahen jetzt ganz genau, was er tat. Er hob den Schlüpfer vom Boden auf. Und dann beugte er sich über das tote Mädchen und nahm ihm die Armbanduhr ab.
    »Das darf doch nicht wahr sein«, sagte ich. »Er hat ihre Uhr genommen.«
    Ich konnte mir nur einen einzigen Grund dafür denken: In die Uhr mußte etwas eingraviert sein. Der Mann steckte den Slip und die Uhr in seine Tasche und wandte sich gerade zum Gehen, als das Bild wieder einmal erstarrte. Theresa hatte das Band gestoppt.
    »Was ist?« fragte ich.
    Sie deutete auf einen der fünf Monitoren. »Da!«
    Es war die Seitenansicht, der Konferenzraum in der Totale, vom Atrium aus aufgenommen. Ich sah die Umrisse des Mädchens auf dem Tisch und den Mann im Konferenzsaal.
    »Ja - und?«
    »Da!« sagte sie noch einmal und deutete mit dem Finger hin. »Das da haben sie zu löschen vergessen.« In einer Ecke des Bildschirms sah ich eine geisterhafte Gestalt. Der Winkel und die Beleuchtung waren genau richtig, wir konnten ihn im Glas gespiegelt sehen. Es war ein Mann.
    Der dritte Mann.
    Er war nach vorn gegangen und stand jetzt in der Mitte des Atriums, den Blick auf den Mörder im Konferenzraum gerichtet.
    Er spiegelte sich in seiner ganzen Größe auf der Glaswand wider, aber Einzelheiten waren nur schwach zu erkennen, »Können Sie näher rangehen? Kriegen Sie das besser rein?« fragte ich Theresa.
    »Ich kann es mal versuchen.«
    Sie zoomte auf den Mann, zentrierte das Bild, das sich nun aufzulösen begann. Sie stellte es scharf, verstärkte die Kontraste. Streifen erschienen, das Bild wurde schwächer, matter. Sie machte sich an die Arbeit, baute es wieder

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