Nippon-Connection
fuhr geschäftig über die Tasten und Knöpfe, berührte sie kurz. »Das Videobild ist digital«, sagte sie. »Es ist jetzt im Computer. Schauen wir mal, was wir damit anfangen können!«
Das Bild begann zu hüpfen und zeigte immer mehr Details, als Theresa auf den Ausschnitt zoomte: Cheryls erstarrtes, grobkörniges Gesicht, ihren erregt nach hinten geworfenen Kopf, ihre Schulter.
Während der Vergrößerung wurde der Bildausschnitt immer grobkörniger. Schließlich begann er sich in ein Punktmuster zu zersetzen wie ein Zeitungsfoto, das man zu dicht an die Augen hält. Dann wurden die Punkte ihrerseits größer, formten Ränder, verwandelten sich in kleine graue Blöcke. Schon bald hatte ich keine Ahnung mehr, was wir da eigentlich betrachteten.
»Glauben Sie, daß es klappen wird?«
»Ich bezweifle es. Aber das da ist der Rand des Rahmens, und da ist das Gesicht.«
Ich war froh, daß wenigstens sie es erkennen konnte. Ich mußte passen.
»Jetzt stellen wir es schärfer.«
Sie drückte auf einige Tasten. Computer-Menüs erschienen, verschwanden wieder. Das Bild wurde klarer, die Grobkörnigkeit ließ nach. Ich sah den Fotorahmen. Und die Umrisse des Kopfes.
»Stellen Sie es noch schärfer!«
Sie tat es. »Jetzt können wir unsere Grauwerte regulieren …«
Das Gesicht auf dem Glas des Bilderrahmens trat langsam hervor. Es war unheimlich.
In den starken Vergrößerungen erschien es sehr grobkörnig. Die Pupillen tauchten nur als schwarze Flecken auf, und es war unmöglich, zu erkennen, um wen es sich handelte. Der Mann hatte die Augen geöffnet, sein Mund war verzogen, geradezu verzerrt vor Leidenschaft, Erregung oder Haß. Genau ließ sich das nicht sagen.
»Ist das das Gesicht eines Japaners?«
Theresa schüttelte den Kopf. »Die Vorlage hat zu wenig Details.«
»Können Sie sie nicht noch deutlicher machen?«
»Das versuche ich später. Ich glaube allerdings nicht, daß es funktionieren wird. Das Gesicht kriegen wir nicht besser. Machen wir weiter!«
Die Bilder bewegten sich wieder. Cheryl stieß den Mann abrupt von sich, schob ihn, die Hand flach gegen seine Brust gedrückt, weg. Das Gesicht verschwand vom Glas des Fotorahmens.
Wir sahen jetzt wieder alle fünf Kameraeinstellungen.
Cheryl und der Mann lösten sich voneinander. Sie schimpfte auf ihn ein und stieß ihn immer wieder von sich. Sie war wütend. Jetzt, nachdem ich die Züge des Mannes grob als Spiegelbild im Fotorahmen gesehen hatte, fragte ich mich, ob sie vielleicht Angst vor seinem Anblick bekommen hatte.
Die beiden standen in dem menschenleeren Raum und besprachen, wohin sie gehen sollten. Cheryl sah sich um. Er nickte. Sie deutete auf den Konferenzraum. Er stimmte ihr offenbar zu.
Sie küßten sich und umarmten sich wieder. In der Art, wie sie aufeinander zugingen, voneinander abließen und sich wieder einander näherten, lag etwas sehr Vertrautes.
Theresa bemerkte es auch. »Sie kennt ihn.«
»Ja, da würde ich auch sagen.«
Sich noch immer küssend, ging das Paar stolpernd auf den Konferenzraum zu. Von nun an waren meine beiden Monitoren keine Hilfe mehr. Die Kamera gegenüber hatte den ganzen Raum aufgenommen, den das Paar jetzt von rechts nach links durchquerte, aber die beiden Gestalten waren winzig und nur schwer zu erkennen. Sie bahnten sich einen Weg an den Schreibtischen vorbei, immer in Richtung .
»Warten Sie!« sagte ich. »Was ist das?«
Theresa ging Einzelbild für Einzelbild zurück.
Ich deutete auf den Bildschirm. »Sehen Sie das? Was ist das?«
Während das Paar durch den Raum taumelte, streifte die Kamera ein großes überglastes japanisches Rollbild mit kalligraphischen Zeichen, das in der Nähe des Aufzugs an der Wand hing. Auf seiner Oberfläche erschien einen kurzen Moment lang ein Lichtfleck, der mir aufgefallen war.
Ein Lichtfleck.
Theresa legte die Stirn in Falten. »Das ist kein Spiegelbild der beiden.«
»Nein.«
»Sehen wir mal nach!«
Sie zoomte auf den Lichtschimmer. Die Schriftrolle schoß uns entgegen und wurde immer grobkörniger. Auch der Lichtschein wurde vergrößert und brach in zwei Teile. In einem Eck erschienen ein verschwommener Lichtfleck, und fast über die ganze Länge des Bildes erstreckte sich ein senkrechter Lichtbalken.
»Schaukeln wir es mal ein bißchen«, sagte Theresa.
Sie ließ die Aufnahme Einzelbild für Einzelbild vor-und zurückwandern. Auf dem einen fehlte der senkrechte Balken, auf dem nächsten war er zu sehen. Die folgenden zehn Einzelbilder hindurch
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