Nippon-Connection
»Niedliches kleines Kerlchen!«
»Was ist denn passiert mit allen Ihren Algorithmen?« fragte ich ihn.
»Sie waren kommerziell nicht verwertbar«, erklärte Sanders. »In den achtziger Jahren sind amerikanische Firmen wie RCA oder General Electrics aus der kommerziellen Elektronik ausgestiegen. Meine Programme zur Bildverbesserung waren in Amerika nicht zu gebrauchen.« Er zuckte mit den Achseln.
»Da habe ich versucht, sie in Japan zu verkaufen, an Sony.«
»Und?«
»Die Japaner hatten die Anwendung bereits patentrechtlich schützen lassen. In Japan.«
»Sie meinen, die hatten die Algorithmen schon?«
»Nein, nur die Patente. In Japan ist das Patentieren eine Form von Krieg. Die Japaner patentieren wie verrückt. Und sie haben ein merkwürdiges System. Dort dauert es zwar acht Jahre, bis man ein Patent erhält, aber die Patentanmeldung wird nach achtzehn Monaten veröffentlicht, und danach wird über die Lizenzgebühren diskutiert. Und natürlich besteht zwischen Japan und Amerika kein generelles Lizenzabkommen. Auf diese Weise sind sie immer im Vorteil.
Jedenfalls erfuhr ich, als ich in Japan war, daß Sony und Hitachi über mehrere entsprechende Patente verfügten und daß sie sozusagen eine Flut von Patentierungen veranlaßt hatten. Das heißt, sie hatten mögliche zukünftige Anwendungen ihrer Produkte bereits abgedeckt. Sie hatten zwar nicht das Recht, meine Algorithmen zu benützen - aber ich hatte dieses Recht auch nicht, denn sie hatten schon die Anwendung meiner Erfindung patentieren lassen.« Wieder zuckte er mit den Achseln. »Es ist schwierig zu erklären, aber das Ganze ist sowieso nur mehr Schnee von gestern. Mittlerweile haben die Japaner sehr viel kompliziertere Video-Software entwickelt, das geht weit über das hinaus, was wir hier haben. Sie sind uns um Jahre voraus. Aber wir hier in diesem Labor stolpern ihnen hinterher, so gut es eben geht. Ah! Dan, genau Sie brauche ich. Sind Sie gerade sehr beschäftigt?«
Eine junge Frau blickte von ihrem Computerbildschirm auf. Sie hatte große Augen hinter einer Hornbrille und dunkles Haar. Ihr Gesicht war zum Teil von den Deckenröhren verdeckt.
»Sie sind ja gar nicht Dan!« sagte Sanders überrascht. »Wo ist Dan, Theresa?«
»Er macht Frühstückspause«, sagte Theresa. »Ich helfe gerade bei den Echtzeit-Progressionen mit. Wir sind bald fertig.« Ich hatte den unbestimmten Eindruck, daß sie älter war als die anderen Studenten. An ihrer Kleidung lag es jedoch nicht: Sie trug ein buntes Stirnband und ein U2-T-Shirt unter einer Jeansjacke. Vielleicht war es ihre ruhige Ausstrahlung, die sie älter wirken ließ.
»Können Sie kurz etwas anderes machen?« fragte Sanders, während er um den Tisch herumging und einen Blick auf den Bildschirm warf. »Wir haben hier nämlich etwas Dringendes: Wir müssen der Polizei helfen.« Mich immer wieder unter Rohren duckend, folgte ich Sanders.
»Ja, das wird schon gehen«, sagte die junge Frau und schaltete einige Geräte auf ihrem Tisch aus. Sie wandte mir eine Weile den Rücken zu, aber dann konnte ich sie endlich ganz sehen.
Sie war dunkelhäutig, wirkte sehr exotisch, fast ein eurasi-scher Typ. Sie war bildhübsch, nein: wunderschön. Sie sah aus wie eines dieser Fotomodelle mit den hochliegenden Wangenknochen in den Modezeitschriften. Einen Moment lang war ich ganz verwirrt, denn diese Frau war einfach zu schön, um in diesem Kellerloch von Elektroniklabor zu arbeiten. Sie paßte nicht dorthin.
»Das ist Theresa Asakuma«, sagte Sanders, »die einzige japanische Doktorandin, die hier arbeitet.«
»Hi«, sagte ich und fühlte, wie ich rot wurde. Ich kam mir idiotisch vor. Diese Eröffnung war zu unvermittelt über mich hereingestürzt, und in Anbetracht der Umstände wollte ich die Bänder lieber nicht in den Händen einer Japanerin wissen. Aber ihr Vorname war nicht japanisch, und sie sah auch nicht japanisch aus, sie sah aus wie eine Eurasierin, höchstens teilweise japanisch, vielleicht war sie sogar .
»Guten Morgen, Lieutenant«, sagte sie und streckte mir die linke, die falsche Hand entgegen. Sie hielt die Linke ein wenig seitlich, so wie man es macht, wenn die rechte Hand verletzt ist.
Wir schüttelten uns die Hände. »Hallo, Miss Asakuma«, sagte ich.
»Theresa.«
»Okay.«
»Ist sie nicht schön?« sagte Sanders, so als sei das sein Verdienst.
»Wunderschön.«
»Ja. Ich muß sagen, es erstaunt mich, daß Sie nicht als Model arbeiten.«
Eine peinliche Pause entstand. Ich konnte
Weitere Kostenlose Bücher