Nippon-Connection
geben sie eine Kopie, die Originale behalten sie für den Fall, daß sie sie zu ihrer Verteidigung brauchen. Und das alles in dem todsicheren Gefühl, daß Sie mit Ihrer hinterwäldlerischen amerikanischen Technologie niemals herausbekommen, daß es sich um Kopien handelt.«
»Wie lange könnte es gedauert haben, diese Kopien herzustellen?« fragte ich ihn.
»Nicht lange«, sagte Sanders. »So wie Theresa die Bänder jetzt durchlaufen läßt, ungefähr fünf Minuten pro Band. Ich nehme an, daß die Japaner es noch viel schneller können. Wahrscheinlich brauchen Sie gerade mal zwei Minuten pro Band.«
»In diesem Fall hatten sie vergangene Nacht jede Menge Zeit zum Kopieren.«
Während Sanders und ich uns unterhielten, kontrollierte Theresa weiterhin den Anfang jedes Bandes. Sobald das Bild auf dem großen Monitor erschien, warf sie mir einen Blick zu, ich aber schüttelte jedesmal den Kopf. Endlich waren wir beim ersten Band aus dem sechsundvierzigsten Stock angelangt, und der Monitor zeigte die vertraute Aufnahme des Büros, die ich mir schon einmal angesehen hatte.
»Das ist eines von den fünfen.«
»Okay, dann kann’s ja losgehen. Ich zeichne es auf VHS auf.«
Theresa begann mit dem Kopieren. Sie ließ das Band mit so hoher Geschwindigkeit durchlaufen, daß das Bild mit Streifen versehen über den Monitor hastete. Die Signale auf den kleineren Monitoren sprangen wie wild hin und her.
»Hat das etwas mit dem Mord bei Nakamoto zu tun?« fragte sie.
»Ja. Haben Sie davon gehört?«
Sie hob die Schultern. »In den Nachrichten habe ich etwas darüber gesehen. Der Mörder ist doch bei einem Autounfall ums Leben gekommen?«
»Ja, das stimmt.«
Sie stand ein wenig von mir abgewandt. Im Dreiviertelprofil erschien ihr Gesicht mit den hohen, geschwungenen Wangenknochen überwältigend schön. Mir fiel ein, daß Eddie Sakamura als Playboy gegolten hatte. »Kannten Sie ihn?«
»Nein«, sagte sie und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Er war Japaner.«
Wieder machte sich eine peinliche Stille zwischen uns dreien breit. Theresa und Sanders schienen irgend etwas zu wissen, was ich nicht wußte, aber ich wagte nicht, danach zu fragen, und starrte weiter auf den Monitor.
Zum zweitenmal sah ich das Sonnenlicht durch die Büroetage wandern. Dann wurden wieder die Lampen angeschaltet, und immer mehr Angestellte verschwanden. Jetzt war das Stockwerk leer. Und dann erschien, in rasendem Tempo, Cheryl Austin, gefolgt von ihrem Liebhaber. Sie küßten sich leidenschaftlich.
»Aah«, sagte Sanders, »ist es das?«
»Ja.«
Er sah mit gerunzelter Stirn zu. »Soll das heißen, daß der Mord aufgenommen wurde?«
»Ja. Von mehreren Kameras sogar.«
»Das ist ja sagenhaft!«
Sanders schwieg und blickte weiter auf den Monitor. Auf dem streifigen Hochgeschwindigkeitsbild waren die Einzelheiten nicht zu erkennen. Man sah nur, wie die beiden sich auf den Konferenzraum zubewegten, dann den plötzlich einsetzenden Kampf und wie der Mann das Mädchen gegen den Tisch drückte, abrupt von ihr abließ und hastig aus dem Raum lief.
Keiner von uns sagte etwas. Wir schauten gebannt auf den Monitor.
Ich schielte zu Theresa hinüber. Ihr Gesicht gab keine Gefühlsäußerung preis. Das Videobild spiegelte sich in ihren Brillengläsern.
Eddie Sakamura ging am Spiegel vorbei und trat in den dunklen Gang. Das Band lief noch einige Sekunden lang, dann sprang die Kassette heraus.
»Da hätten wir mal eines. Es waren mehrere Kameras, sagten Sie. Wie viele denn insgesamt?«
»Fünf, glaube ich.«
Theresa markierte die Kassette mit einem selbstklebenden Etikett. Dann schob sie das zweite Band ins Gerät und kopierte es ebenfalls im Schnellauf.
»Sind diese Kopien exakt?« fragte ich.
»Aber ja.«
»Sie sind also rechtsgültig?«
Sanders sah mich fragend an. »Rechtsgültig in welchem Sinn?«
»Na ja, als Beweismittel vor Gericht …«
»O nein!« sagte Sanders. »Diese Bilder würden niemals vor Gericht zugelassen werden.«
»Aber wenn es exakte Kopien sind …«
»Das hat damit nichts zu tun. Jede Form von fotografischem Beweismaterial, inklusive Video, ist vor Gericht nicht mehr zugelassen.«
»Das höre ich zum erstenmal.«
»Das Präzedenzrecht ist noch nicht ganz durch«, klärte Sanders mich auf, »aber es wird kommen. Heutzutage sind alle fotografischen Aufnahmen unzuverlässig, weil sie mit Hilfe von Digitalsystemen perfekt manipuliert werden können, wirklich perfekt. Und das ist etwas völlig Neues. Erinnern Sie
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