Nippon-Connection
die Treffen sind nicht mehr wichtig. Sie erfüllen vor allem eine soziale Funktion. Was Sakamura zu Cheryl Austin gesagt hat, ist also falsch. Und ihr Tod hat mit keinem Samstagstreffen zu tun.«
»Mit was denn dann?«
»Meine Freunde halten es offensichtlich für eine private Sache. Ein ninjözata, ein Verbrechen aus Leidenschaft, in das eine schöne, kichigai Frau und ein eifersüchtiger Mann verwickelt waren.«
»Und das glauben Sie ihnen?«
»Nun, dieser Meinung waren alle drei Geschäftsleute einhellig. Natürlich widerstrebt es Japanern, sich untereinander zu widersprechen, sogar auf einem Golfplatz in einem unterentwickelten Agrarland. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß Einstimmigkeit einem gaijin gegenüber eine Vielzahl begangener Sünden verdecken kann.«
»Dann glauben Sie also, daß sie gelogen haben?«
»Nicht ganz.« Connor schüttelte den Kopf. »Aber ich hatte den Eindruck, daß sie mir etwas mitteilten, indem sie mir nichts mitteilten. Das Spiel heute morgen war ein hara no naka o misenai. Meine Freunde waren nicht sehr mitteilsam.«
Connor erzählte mir von der Golfpartie. Den ganzen Vormittag hindurch war es immer wieder zu langen Schweigepausen gekommen. Alle vier hatten sich höflich und rücksichtsvoll verhalten, aber es war nur selten und sehr zurückhaltend gesprochen worden. Die meiste Zeit über waren die Männer in völliger Stille über den Rasen gegangen.
»Sie waren doch dort, um Informationen zu bekommen«, sagte ich. »Wie haben Sie das bloß ausgehalten?«
»Ich habe durchaus Informationen bekommen. Aber«, erklärte er, »es waren unausgesprochene Informationen. Die Japaner haben eine Verständigung, die auf einer jahrhundertealten gemeinsamen Kultur beruht: Sie können Gefühle auch ohne Worte ausdrücken. Es ist wie die Vertrautheit, die bei uns zwischen Eltern und Kind herrscht; ein Kind braucht manchmal nur den Blick der Eltern zu sehen und versteht alles. Aber normalerweise bauen die Amerikaner wenig auf wortlose Kommunikation, die Japaner dagegen schon. Es ist, als wären alle Japaner Mitglieder ein und derselben Familie, sie können miteinander kommunizieren, ohne zu reden. Für einen Japaner hat jedes Schweigen eine Bedeutung.«
Ich nickte nachdenklich.
»Daran ist weder etwas Mystisches noch etwas Wunderbares«, fuhr er fort. »Zum größten Teil liegt es daran, daß die Japaner von so vielen Regeln und Konventionen umgeben sind, daß sie schließlich gar nichts mehr sagen können. Aus Höflichkeit und um das Gesicht zu wahren, ist jeder Gesprächspartner verpflichtet, die Situation, den Zusammenhang und die subtilen Signale der Körperhaltung und der unausgesprochenen Gefühle des anderen zu erspüren. Denn die andere Person ist wirklich überzeugt, die Sache nicht in Worte fassen zu können. Alles Reden wäre taktlos. Man muß seine Absichten auf andere Weise zum Ausdruck bringen.«
»Und so haben Sie den heutigen Vormittag verbracht: schweigend?«
Connor schüttelte den Kopf und sagte, er habe den Eindruck, daß zwischen ihm und den Japanern eine klare Kommunikation stattgefunden habe. Das Schweigen sei für ihn kein Problem gewesen.
»Weil ich sie bat, über andere Japaner, also über Mitglieder ihrer eigenen Familie, zu reden, mußte ich meine Fragen mit großer Behutsamkeit formulieren - genau so, wie wenn ich Sie fragen würde, ob Ihre Schwester schon mal im Gefängnis war, oder etwas für Sie ähnlich Schmerzliches oder Peinliches. Ich würde dann aufpassen, wie lange Sie brauchen, bis Sie antworten, und würde auf die Pausen zwischen Ihren Sätzen und auf den Klang Ihrer Stimme achten und so weiter. Das sind alles Dinge, die über die verbale Kommunikation hinausgehen. Okay?«
»Okay.«
»Man erfühlt es durch Intuition.«
»Und was haben Sie heute erfühlt?«
»Sie sagten: ›Wir vergessen nicht, daß Sie uns in der Vergangenheit Dienste geleistet haben. Wir haben das starke Bedürfnis, jetzt Ihnen zu helfen. Aber dieser Mord ist eine japanische Angelegenheit, und deshalb können wir Ihnen nicht alles sagen, was wir Ihnen vielleicht gern sagen würden. Aus unserer Zurückhaltung können Sie nützliche Schlüsse über das ziehen, was der Sache zugrunde liegen mag.‹ Das haben sie mir gesagt.«
»Und was mag der Sache zugrunde liegen?«
»Nun, MicroCon wurde mehrmals erwähnt.«
»Dieses HighTech-Unternehmen?«
»Ja. Das jetzt verkauft wird. Es ist offenbar eine kleinere Firma im Silicon Valley, die spezielle Computerteile herstellt. Mit
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