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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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setzen und ihre Arme um seinen Hals legen. Der war noch so kräftig wie in den so lange von der Zeit verschluckten Tagen von Rongai, obwohl das Haar viel weicher geworden war. Owuor schnalzte lockend mit der Zunge, sagte leise »Memsahib kidogo« und trug sie wie einen sehr schweren Sack durch den Garten und an dem Rosenbeet vorbei, das die Hitze des Tages an die erste Kühle des späten Nachmittags abgab.
    Regina konnte hinter dem Tuch, das sie zugleich mit Erwartung vollstopfte und blind machte, den Baum mit den duftenden Guaven riechen; sie hörte ihre Fee leise das Kinderlied von dem Stern spielen, der in der Nacht wie ein Diamant strahlte. Obwohl sie nichts sehen konnte außer den Funken am Himmel der Fantasie, wußte sie, daß die Fee ein Kleid aus roten Hibis-kusblüten trug und eine silberne Flöte an die Lippen hielt. »Ich danke dir«, rief ihr Regina im Vorbeireiten zu, aber sie sprach Jaluo, und nur Owuor lachte.
    Als er mit dem Stöhnen eines Esels, der seit Tagen kein Wasser mehr gefunden hat, Regina endlich von seinem Rücken schüttelte und ihr das Tuch von der Stirn riß, stand sie vor einem kleinen Ofen in einer fremden Küche, die nach frischer Farbe und feuchtem Holz roch. Regina erkannte nur den Topf aus blauem Email, in dem Königsberger Klopse, runder und größer als je zuvor, in einer dicken Soße schwammen, die so weiß war wie der süße Brei im deutschen Kindermärchen. Rummler kam jaulend aus einem Nebenraum und sprang hechelnd an ihr hoch.
    »Das ist jetzt unser Flat. Zwei Zimmer mit Küche und eigenem Waschbecken«, sagten Walter und Jettel und machten aus ihren beiden Stimmen eine einzige.
    Regina kreuzte ihre Finger, um dem Glück zu zeigen, daß sie wußte, was sich gehörte. »Wie ist das passiert?« fragte sie und machte einen zaghaften Schritt in die Richtung, aus der Rummler eben gekommen war.
    »Frei werdende Flats müssen zuerst an Soldaten vergeben werden«, erklärte Walter. Er sprach den Satz, der in der Zei-tung gestanden und den er auswendig gelernt hatte, in seinem harten Englisch so schnell, daß sich seine Zunge in den Zähnen verfing, aber Regina fiel rechtzeitig ein, daß sie nicht lachen durfte.
    »Hurra«, rief sie, nachdem der Kloß in ihrer Kehle zurück in ihre Knie gerutscht war, »jetzt wir sind keine Refugees mehr.«
    »Doch«, schränkte Walter ein, aber er lachte trotzdem, »Re-fugees bleiben wir. Aber nicht so bloody wie bisher.«
    »Unser Baby wird doch kein Refugee sein, Papa.«
    »Wir alle werden eines Tages keine Refugees mehr sein. Das verspreche ich dir.«
    »Jetzt nicht«, sagte Jettel unwillig. »Heute wirklich nicht.« -»Mußt du heute nicht in den Horse Shoe?«
    »Ich arbeite nicht mehr. Der Arzt hat's verboten.«
    Der Satz durchbohrte Reginas Kopf und rührte die Erinnerungen, die sie vergraben hatte, zum zähen Lehm aus Angst und Hilflosigkeit. Kleine Punkte tanzten vor ihren heiß gewordenen Augen, als sie fragte: »Ist es diesmal ein guter Doktor? Behandelt er auch Juden?«
    »Aber ja«, beruhigte Jettel. »Er ist jüdisch«, erklärte Walter und betonte jedes Wort.
    »Und so ein schöner Mann«, schwärmte Diana. Sie stand an der Tür in einem hellgelben Kleid, das ihre Haut so blaß machte, als wäre der Mond bereits am Himmel. Regina sah zunächst nur die Hibiskusblumen in ihrem blonden Haar leuchten und dachte einen berauschenden Wimpernschlag lang tatsächlich, ihre Fee wäre aus dem Baum gestiegen. Dann ging ihr auf, daß Dianas Kuß nach Whisky und nicht nach Guaven schmeckte.
    »Ich bin jetzt immer so durcheinander«, kicherte Diana, als sie Reginas Haar streicheln wollte und dabei vergaß, ihren Hund vom Arm zu tun, »wir bekommen doch ein Baby. Hast du gehört? Wir bekommen ein Baby. Ich kann nachts nicht mehr schlafen.«
    Owuor servierte das Abendessen im langen weißen Kanzu mit der roten Schärpe und der goldenen Stickerei. Er sagte kein Wort, wie er es bei seinem ersten Bwana in Kisumu gelernt hatte, doch seine Augen ließen sich nicht mehr auf die schwere Ruhe eines englischen Farmhauses zurückstellen. Die Pupillen waren so groß wie an dem Abend, als er die Heuschrecken vertrieben hatte.
    »Es gibt keine Kapern in diesem Affenland«, klagte Jettel und durchbohrte den Klops mit der Gabel.
    »Was sind Kapern?« kaute Regina zufrieden und genoß den guten Zauber gestillter Sehnsucht, doch zum erstenmal gönnte sie sich nicht genug Zeit, um die Antwort an ihr Herz weiterzuleiten.
    »Wie wird unser Baby heißen?« fragte

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