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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Mädchen im Abteil sahen Regina neugierig an und lächelten einander zu, denn sie verstanden einander ohne Worte und fühlten sich zu erwachsen, um Mißbilligung anders als mit Blicken zu zeigen.
    Als die Frau die Banane durch das Fenster schob, berührten ihre steifen Finger einen kurzen Moment Reginas Hand. Die Haut der Alten roch nach Sonne, Schweiß und Salz. Regina versuchte, den vertrauten, lange vermißten Geruch so lange wie möglich in ihrer Nase zu halten, doch als der Zug in Nyeri hielt, war von der satten Erinnerung an gute Tage nichts übriggeblieben als jenes Salz mit den scharfen Körnern, die im Auge drückten wie die winzigen blutsaugenden Dudus unter den Zehennägeln.
    Auf der Station von Nyeri standen viele Menschen mit schweren Lasten, die in bunte Decken gehüllt waren, und mit breiten Sisalkörben, aus denen braune Papiertüten voll mit Maismehl, blutenden Fleischstücken und ungegerbten Tierhäuten quollen. Es war nur noch eine Stunde Fahrt bis Nairobi.
    Die Stimmen hatten bereits nichts mehr von der melodischen Sanftheit des Hochlands. Sie waren laut und trotzdem schwer zu verstehen. Auch Männer, die, wie vor ihnen ihre Väter und Großväter, ein Huhn in der Hand hielten und ihre Lasten schleppenden Frauen noch wie die Kühe zu Hause vor sich hertrieben, hatten Schuhe an den Füßen und so bunte Hemden an, als hätten sie unmittelbar nach einem Gewitter den Regenbogen zerschnitten. Einige junge Männer hatten silberfarbene Uhren am Handgelenk, viele statt dem gewohnten Stock einen Regenschirm in der Hand. Ihre Augen glichen denen gehetzter Tiere, aber ihr Schritt war gleichmäßig und kräftig.
    Inderinnen mit rotem Fleck auf der Stirn und Armreifen, die selbst noch im Schatten wie tanzende Sterne leuchteten, ließen sich ihr Gepäck von schweigsamen Schwarzen in den Wagen heben, obwohl sie nur in der zweiten Klasse reisen durften. Hellhäutigen Soldaten in Khaki, die trotz ihrer Jahre in Afrika noch immer an pünktliche Abfahrtszeiten glaubten, hetzten auf die Wagen der ersten Klasse zu. Beim Marschieren sangen sie den Nachkriegsschlager »Don't fence me in«. Der junge indische Schaffner hielt ihnen die Tür auf, ohne sie anzuschauen. Schrill pfiff die Lokomotive zur Abfahrt.
    Die hohen Berge um Nyeri wirkten in der gelben Nachmittagssonne, die lange Schatten warf, wie Riesen auf der Rast. Gazellenherden sprangen zu den hellgrau schimmernden Wasserlöchern. Paviane kletterten um die erdbraunen Felsen herum. Rot leuchtete das Hinterteil der laut schreienden männlichen Anführer. Junge Affen klammerten sich an das Bauchfell der Mütter. Regina beobachtete sie mit Neid und wollte sich vorstellen, daß auch sie ein Affenkind mit großer Familie war, aber das schöne Spiel der Kindertage hatte seinen Zauber verloren.
    Sie begann, wie immer beim Anblick der ersten Berge von Ngong, sich die üblichen Gedanken zu machen, ob ihre Mutter wohl Zeit haben würde, sie von der Station abzuholen, oder ob sie zur Arbeit in den Horse Shoe und Owuor schicken mußte. Es war ein besonderes Geschenk, wenn die Mutter Zeit hatte, aber Regina liebte es auch, nach der dreimonatigen Trennung mit Owuor jene Blicke, Scherze und Wortspiele auszutauschen, auf die nur er und sie sich verstanden. Trotzdem hatte sie sich am Beginn der letzten Ferien ein wenig geniert, als nur der Hausboy da war, um sie in Empfang zu nehmen. Sie schluckte einen Mundvoll Zufriedenheit, als ihr aufging, daß diesmal alles anders sein und sie nach der Ankunft des Zuges in Nairobi ihre bisherigen Mitschülerinnen nie mehr sehen mußte.
    Regina wußte genau, daß ihre Mutter sie mit Königsberger Klopsen verwöhnen und dabei sagen würde: »In diesem Affenland gibt es keine Kapern.« Das Lieblingsessen kam nie ohne den klagenden Satz auf den Tisch, und Regina vergaß auch nie zu fragen: »Was sind Kapern?« Sie empfand solche Gewohnheiten als festen Bestandteil ihres Zuhauses, und bei jeder Heimkehr tranken ihre hungrigen Augen und Ohren den Beweis, daß sich in ihrem Leben nichts geändert hatte. Der Gedanke an ihre Eltern, die immer bemüht waren, die Heimkehr zu einem besonderen Tag zu machen, erregte sie noch mehr als sonst. Es war, als würde sie die Zärtlichkeit schon streicheln, die sie erwartete. Ihr fiel ein, daß die Mutter im letzten Brief vor den Ferien geschrieben hatte: »Du wirst staunen, wir haben eine große Überraschung für dich.«
    Um die Vorfreude zu strecken, hatte sich Regina selbst verboten, an die Überraschung zu

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