Nirgendwo in Afrika
erfolgreichem Abschluß befand.
Die jungen Soldaten hatten den »bloody refugees«, wie sie sie in ihrem neubelebten Patriotismus nannten, bei der überstürzten Verhaftung nicht einmal Zeit gelassen, einen Koffer zu packen, und mit ihrem falsch dosierten Eifer ihren Vorgesetzten prompt vermeidbare Schwierigkeiten bereitet. Die Männer, die nur mit Hose, Hemd, Hut oder manchmal gar im Schlafanzug im Ngong abgeliefert wurden, mußten erst einmal eingekleidet werden. Im Mutterland wäre ein solches Problem sofort mit Häftlingskleidung zu lösen gewesen.
In Kenia war es aber so sittenwidrig wie geschmacklos, Weiße in die gleiche Kleidung zu stecken wie schwarze Gefangene. Es gab in den Gefängnissen des Landes keinen einzigen Europäer und folglich noch nicht einmal so selbstverständliche Dinge des täglichen Bedarfs wie Zahnbürsten, Unterhosen oder Waschlappen. Um nicht schon in den ersten Kriegstagen den Etat zu belasten und das Kriegsministerium in London zu unangenehmen Fragen zu provozieren, wurden die überraschten Bürger zu entsprechenden Spenden aufgerufen. Das führte zu peinlich spöttischen Leserbriefen im »East African Standard«.
Noch schlimmer wurde der Umstand empfunden, daß die Internierten nun ebenso Khakiuniformen trugen wie ihre Bewacher. Gerade in Militärkreisen erregte die ungewollte, aber notwendig gewordene Gleichheit der äußeren Erscheinung zwischen den Verteidigern der Heimat und ihren eventuellen Angreifern viel Unwillen. Gerüchte wollten nicht verstummen, daß die Männer vom Kontinent den Ernst der Lage mißbrauchten. Es gab bereits Berichte, daß sie einander feixend salutierten und, soweit sie Englisch sprachen, das Wachpersonal recht ungeniert nach dem Weg zur Front fragten. Die »Sunday Post« riet ihren Lesern: »Wenn Sie einen Mann in britischer Uniform treffen, lassen Sie ihn zu Ihrer eigenen Sicherheit zuerst >God Save the King< singen.« Der »Standard« begnügte sich mit einem Kommentar, der allerdings die Überschrift »Skandal« trug.
Auch bei strengster Auslegung des Sicherheitsrisikos hätten Frauen und Kinder nicht sofort interniert werden müssen. Das Militär empfand es durchaus als ausreichend, nur Radios und Kameras zu konfiszieren, um zu verhindern, daß sie zur eventuellen Kontaktaufnahme mit dem Feind auf den europäischen Schlachtfeldern mißbraucht wurden. Andererseits erinnerte man sich, daß es auch 1914 und schon im Burenkrieg üblich gewesen war, Frauen und Kinder in Lagern zu konzentrieren. Noch stärker wog das Argument, daß es der britischen Tradition von Ehre und Verantwortungsbewußtsein widersprach, Wehrlose ohne männlichen Schutz auf einer Farm zurückzulassen. Wiederum wurde schnell und unbürokratisch vorgegangen. Keine Frau mußte bei Kriegsausbruch länger als drei Stunden allein auf einer Farm zurückbleiben.
Weibliche Internierte und erst recht Kinder waren nicht in Militärbaracken unterzubringen, aber auch da fand Colonel Whidett eine befriedigende Lösung. Ohne Rücksicht auf das Wochenendvergnügen der Farmer aus dem Hochland wurden das traditionsreiche Norfolk Hotel und das luxuriöse New Stanley als Quartier für die Familien der Enemy Aliens requiriert. Dieser Ausweg war schon deshalb geboten, weil es nur in Nairobi genug kompetente Beamte gab, um sich mit einem Zustand zu beschäftigen, der nicht auf Dauer so bleiben konnte.
Die internierten Frauen waren verblüfft, als sie nach den langen und beschwerlichen Fahrten von den Farmen in Nairobi ankamen. Sie wurden jubelnd vom Hotelpersonal empfangen, das bis dahin immer dazu angehalten worden war, Gäste freudig zu begrüßen, und das nicht mehr rechtzeitig auf die Veränderungen umgeschult werden konnte, die der Krieg mit sich brachte. Auch Ärzte, Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen und Lehrer waren in die beiden Hotels befohlen worden. Wegen der Dringlichkeit ihrer Einberufung rechneten sie mit Zuständen, die sie in einen Kausalzusammenhang mit einem Krieg brachten, doch merkten sie sehr schnell, daß es in diesem speziellen Fall weder um Ausbruch von Seuchen noch um psychologische Probleme ging, sondern um Verständigungsschwierigkeiten. Die hätten sich am besten mit Suaheli lösen lassen, das selbstbewußte Kolonialbeamte jedoch längst nicht so gut beherrschten wie die Menschen, die erst kurze Zeit im Land waren und so gar nicht den gängigen Vorstellungen von feindlichen Agenten entsprachen.
Der Transport von Nakuru, Gilgil, Sabbatia und Rongai traf als letzter im
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