Nirgendwo in Afrika
gehen dürfen«, sagte er und winkte, als wollte er sich für längere Zeit verabschieden, aber der Scherz mißlang.
Die Nacht war kalt und sehr dunkel. Nur die Feuerstellen vor den Hütten der Schambaboys leuchteten als winzige, hellrote Punkte. Am Waldrand heulte ein Schakal, der zu spät zur Jagd aufgebrochen war. Walter war es, als verspotte auch er ihn, und er drückte seine Hände fest gegen die Ohren, aber das Geräusch verstummte nicht. Es narrte ihn so quälend, daß er in Abständen glaubte, ein Hund habe gebellt. Es waren die gleichen demütigenden Laute, die Kimani ausstieß, wenn er nach dem Küchenboy gefragt wurde.
Leise rief Walter Kimanis Namen, doch das Echo, das ihn verhöhnte, kam laut zu ihm zurück. Er wurde gewahr, daß die Rebellion seines Kopfes den Magen zu attackieren begann, und er hetzte weg vom Haus, um sich nicht vor der Tür übergeben zu müssen. Das Würgen brachte ihm keine Erleichterung. Der Schweiß auf der Stirn, das taube Gefühl in seinen klammen Händen und der feine Schleier vor den Augen erinnerten ihn an seine Malaria und den Umstand, daß er in Ol' Joro Orok keinen Nachbarn hatte, zu dem er um Hilfe schicken konnte.
Er rieb die Augen und stellte erleichtert fest, daß sie trocken waren. Trotzdem spürte er Feuchtigkeit auf dem Gesicht und danach einen so beängstigenden Druck in seiner Brust, daß er zu stürzen glaubte. Als das Bellen immer lauter in seinem rechten Ohr dröhnte, warf Walter die Lampe ins Gras und machte seinen Körper steif. Wärme stieg in ihm auf. Ein Geruch, den er nicht deuten konnte, wehte zuerst eine Erinnerung zu ihm herüber und dämpfte dann seine Erregung. Ihm ging auf, daß die zitternden Bewegungen nicht von seinem Herzen kamen, und endlich spürte er auch die rauhe Zunge, die sein Gesicht ableckte.
»Rummler«, flüsterte Walter, »Rummler, du verdammtes Mistvieh. Wo kommst du her? Wie hast du mich gefunden?« Abwechselnd wiederholte er den Namen und Koseworte, die ihm zuvor nie eingefallen waren, hielt den kräftigen Nacken des Hundes mit beiden Händen, roch sein dampfendes Fell und merkte, daß seine Kräfte zurückkamen und er wieder deutlich sehen konnte.
Während Walter das aufgeregt hechelnde Tier im Rausch einer Seligkeit, die ihn genierte, an sich drückte und es staunend streichelte, blickte er sich scheu um, als fürchtete er, im Taumel seiner Zärtlichkeit überrascht zu werden. Da sah er eine Gestalt auf sich zukommen.
Schwerfällig, weil er sich nur mühsam aus der Umklammerung von übermäßiger Freude und Verlegenheit freimachen konnte, holte Walter die Lampe aus dem Gras und drehte den Docht hoch. Erst sah er nur eine Gestalt, die einer dunklen Wolke ähnelte, bald aber die Konturen eines kräftigen Mannes, der immer schneller lief. Walter glaubte auch, die Umrisse eines Mantels auszumachen, der bei jedem der großen Schritte flatterte, obwohl es seit Tagen keinen Wind mehr gegeben hatte.
Rummler winselte und bellte, ehe seine Stimme zu einem großen freudigen Heulen wurde, das einen kurzen Augenblick taub machte für jeden anderen Klang und dann plötzlich in Töne überging, die nur von einem Menschen stammen konnten. Laut und klar zerriß vertrauter Klang das Schweigen der Nacht.
»Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren«, sang Owuor und stellte sich in den gelben Schein der Lampe. Ein Fleck von seinem weißen Hemd leuchtete unter seiner schwarzen Robe.
Walter schloß die Augen und wartete erschöpft auf das Erwachen aus dem Traum, doch seine Hände fühlten den Rücken des Hundes, und Owuors Stimme blieb. »Bwana, du schläfst auf deinen Füßen.«
Walter brachte die Zähne auseinander, doch er konnte seine Zunge nicht bewegen. Er merkte noch nicht einmal, daß er die Arme ausgebreitet hatte, bis er Owuors Körper an seinem und den Seidenbesatz der Robe am Kinn spürte. Einige kostbare Sekunden ließ er es zu, daß Owuors Gesicht mit der breiten Nase und der glatten Haut die Züge seines Vaters annahm. Schneidend spürte er den Schmerz, als sich das Bild aus Trost und Sehnsucht auflöste, aber die Beglückung blieb.
»Owuor, du Mistvieh, wo kommst du her?«
»Mistvieh«, kostete Owuor das fremde Wort und schluckte Behagen, weil es ihm sofort gelungen war. »Aus Rongai«, lachte er, grub unter der Robe in seiner Hosentasche und holte ein kleines, sorgsam gefaltetes Stück Papier heraus. »Ich habe den Samen mitgebracht«, sagte er, »deine Blumen kannst du jetzt auch hier pflanzen.«
»Das sind die Blumen
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