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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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sie so ist wie du. Übrigens habe ich an Gibson geschrieben.«
    »Du hast einen englischen Brief geschrieben?«
    »Englisch wird er erst, wenn du ihn übersetzt hast. Ich könnte mir vorstellen, daß Gibson Walter gebrauchen kann. Aber sag ihm noch nichts. Die Enttäuschung wäre zu groß.«
    Oha kannte Gibson, von dem er einige Male Pyrethrum bezogen hatte, nur flüchtig. Er wußte aber, daß er schon seit langem nach einem Mann suchte, der für sechs Pfund bereit war, auf seiner Farm in Ol' Joro Orok zu arbeiten. Geoffry Gibson hatte eine Essigfabrik in Nairobi und nicht die Absicht, mehr als viermal im Jahr nach seiner Farm zu sehen, auf der er ausschließlich Pyrethrum und Flachs anbaute. Er reagierte schnell.
    »Genau das Richtige für dich«, freute sich Oha, als Gibsons Zusage eintraf, »du bringst dort weder Kühe noch Hühner um, und von ihm selbst hast du auch nichts zu befürchten. Du mußt dir nur ein Haus bauen.«
    Zehn Tage, nachdem ein kleiner Lastwagen auf der schlammigen Straße in die Berge von Ol' Joro Orok gekeucht war, bekam das kleine Haus zwischen den Zedern sein Dach. Der indische Schreiner Daji Jiwan hatte mit dreißig Arbeitern von den Schambas das Haus für den neuen Bwana aus groben, grauen Steinen gebaut. Ehe das Dach mit Gras, Lehm und Dung beworfen wurde, durfte Regina zum letztenmal auf den Holzstangen sitzen, die, anders als bei den Hütten der Eingeborenen, nicht zu einer Spitze, sondern schräg zusammenliefen.
    Regina ließ sich von Daji Jiwan mit den schwarzglänzenden Haaren, der hellbraunen Haut und den sanften Augen hochheben und kletterte genau zur Mitte des Dachs. Dort hatte sie seit der Ankunft in Ol' Joro Orok so lange und schweigend gesessen wie in den Tagen, als sie noch ein Kind war, das nichts wußte und mit seiner Aja unter den Bäumen von Rongai gelegen hatte.
    Sie schickte ihre Augen zum großen Berg mit der weißen Decke, von der ihr Vater behauptete, sie sei aus Schnee, und wartete, bis sie satt wurden. Dann machte ihr Kopf eine schnelle Bewegung zum dunklen Wald, aus dem abends die Trommeln die Schauris vom Tag erzählten und bei Sonnenaufgang die Affen kreischten. Als Hitze in ihren Körper kam, machte sie ihre Stimme stark und schrie ihren Eltern auf der Erde zu: »Es gibt nichts Schöneres als Ol' Joro Orok.« Das Echo kam schneller, klarer und lauter zurück als in den Tagen, die nun nicht mehr waren, und der Menengai ihr geantwortet hatte. »Es gibt nichts Schöneres als Ol' Joro Orok«, rief Regina noch einmal.
    »Sie hat Rongai schnell vergessen.«
    »Ich auch«, sagte Jettel. »Vielleicht haben wir hier mehr Glück.«
    »Ach, eine Farm ist wie die andere, Hauptsache, wir sind zusammen.«
    »War dir bange nach mir im Camp?«
    »Sehr«, erwiderte Walter und fragte sich, wie lange die neue Gemeinsamkeit das Leben in Ol' Joro Orok überleben würde.
    »Schade um Owuor«, seufzte er, »er war ein Freund der ersten Stunde.«
    »Da waren wir ja auch noch keine Enemy Aliens.«
    »Jettel, seit wann bist du ironisch?«
    »Ironie ist eine Waffe. Hat Elsa Conrad gesagt.«
    »Bleib du mal bei deinen Waffen.«
    »Irgendwie habe ich das Gefühl, hier ist's noch einsamer als in Rongai.«
    »Ich fürchte fast. Ohne Süßkind.«
    »Dafür«, tröstete Jettel, »ist es doch nicht so furchtbar weit nach Gilgil zu Oha und Lilly.«
    »Nur drei Stunden, wenn man ein Auto hat.«
    »Und ohne?«
    »Dann ist Gilgil auch nicht besser erreichbar als Leob-schütz.«
    »Du wirst sehen, wir kommen wieder hin«, beharrte Jettel, »und außerdem hat Lilly fest versprochen, uns hier zu besuchen.«
    »Hoffentlich erfährt sie nicht vorher, was sich die Leute hier erzählen.«
    »Was denn?«
    »Daß selbst die Hyänen es nicht länger als ein Jahr in Ol' Joro Orok aushalten.«
    Ol' Joro Orok bestand nur aus ein paar Lauten, die Regina liebte, und aus dem Duka, einem winzigen Laden in einem Bau aus Wellblech. Der Inder Patel, dem das Geschäft gehörte, war ebenso wohlhabend wie gefürchtet. Er verkaufte Mehl, Reis, Zucker und Salz, Fett in Dosen, Puddingpulver, Marmelade und Gewürze. Waren Händler aus Nakuru bei ihm gewesen, bot er Mangos, Papayas, Kohlköpfe und Lauch an. Es gab Benzin in Kanistern, Paraffin in Flaschen für die Lampen, Alkohol für die Farmer der Umgebung und dünne Wolldecken, kurze Khakihosen und grobe Hemden für die Schwarzen.
    Nicht nur wegen seines Warenangebots mußte der unfreundliche Patel bei Laune gehalten werden, sondern weil dreimal in der Woche ein Wagen von

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