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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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von meinem Vater.«
    »Das sind die Blumen von deinem Vater«, wiederholte Owuor, »sie haben dich gesucht.«
    »Du hast mich gesucht, Owuor.«
    »Die Memsahib hat in Ol' Joro Orok keinen Koch.«
    »Nein. Kimani hat keinen für sie gefunden.«
    »Er hat gebellt wie ein Hund. Hast du Kimani nicht bellen gehört, Bwana?«
    »Ja. Aber ich wußte nicht, warum er bellte.«
    »Das war Rummler, der aus Kimanis Mund gesprochen hat. Er hat dir gesagt, daß er mit mir auf Safari war. Es war eine lange Safari, Bwana. Aber Rummler hat eine gute Nase. Er hat
    den Weg gefunden.«
    Owuor wartete voller Spannung, ob der Bwana den Scherz glauben würde oder ob er noch so dumm wie ein junger Esel war und nicht wußte, daß ein Mann auf Safari seinen Kopf und nicht die Nase eines Hundes brauchte.
    »Ich war noch einmal in Rongai, Owuor, um meine Sachen zu holen, aber du warst nicht da.«
    »Ein Mann, der fort muß aus seinem Haus, hat keine guten Augen. Ich wollte deine Augen nicht sehen.«
    »Du bist klug.«
    »Das«, freute sich Owuor, »hast du gesagt am Tag, als die Heuschrecken kamen.« Er schaute, während er sprach, in die Ferne, als wollte er die Zeit zurückholen, und doch spürte er jede Regung der Nacht. »Da ist die Memsahib kidogo«, jubelte er.
    Regina stand vor der Tür. Sie schrie einige Male und immer lauter Owuors Namen, sprang an ihm hoch, während Rummler ihre nackten Beine ableckte, befreite ihre Kehle und schnalzte mit der Zunge. Auch als Owuor sie zurück auf die weiche Erde stellte und sie sich zu dem Hund hinabbeugte und sein Fell mit ihren Augen und dem Mund feucht machte, hörte sie nicht zu reden auf.
    »Regina, was laberst du da dauernd? Ich versteh kein Wort.«
    »Jaluo, Papa. Ich rede Jaluo. Wie in Rongai.«
    »Owuor, hast du gewußt, daß sie Jaluo kann?«
    »Ja, Bwana. Das weiß ich. Jaluo ist doch meine Sprache. Hier in Ol' Joro Orok gibt es nur Kikuyus und Nandis, aber die Memsahib kidogo hat eine Zunge wie ich. Deshalb konnte ich zu dir kommen. Ein Mann kann nicht dort sein, wo er nicht verstanden wird.«
    Owuor schickte sein Lachen in den Wald und danach auch zu dem Berg mit dem Hut aus Schnee. Das Echo hatte die Kraft, die seine hungrigen Ohren brauchten, und doch war sei-ne Stimme leise, als er sagte: »Das weißt du doch, Bwana.«
6
    Die Nakuru School auf dem steilen Berg über einem der berühmtesten Seen der Kolonie war beliebt bei jenen Farmern, die sich keine Privatschule leisten konnten und die dennoch Wert auf die Tradition und den guten Ruf einer Schule legten. Bei den renommierten Familien in Kenia galt die in Nakuru, weil sie staatlich war und sich ihre Schüler nicht aussuchen konnte, zwar als »etwas gewöhnlich«, aber Eltern, die sich aus finanziellen Gründen mit ihr abfinden mußten, pflegten diese bedauerliche Peinlichkeit mit einem deutlichen Hinweis auf die doch sehr außergewöhnliche Persönlichkeit des Direktors zu negieren. Er war ein Oxford-Mann mit den noch gesunden Ansichten aus der Zeit Königin Victorias und hatte vor allem keine neumodischen pädagogischen Ideen; Gewährenlassen und Verständnis für die Psyche der Kinder in seiner Obhut gehörten nicht zu seinen Prinzipien.
    Arthur Brindley, in seiner Jugend in der Rudermannschaft von Oxford und im Ersten Weltkrieg mit dem Victoria Cross ausgezeichnet, hatte einen gesunden Sinn für Proportionen und entsprach genau dem Ideal der Erziehung im Mutterland. Er langweilte die Eltern nie mit pädagogischen Thesen, die sie nicht hören wollten und ohnehin nicht begriffen hätten. Ihm reichte allzeit der Hinweis auf das Motto der Schule. »Quisque pro omnibus« stand in goldfarbenen Lettern auf der Mittelwand der Aula und war auf dem Wappen eingestickt, das auf die Jakken, Krawatten und Hutbänder der Schuluniform genäht wurde.
    Mr. Brindley war zufrieden und an guten Tagen sogar ein wenig stolz, wenn er aus dem Fenster seines Arbeitszimmers in dem imposanten Hauptgebäude aus weißem Stein und mit wuchtigen Rundsäulen am Haupteingang schaute. Die vielen kleinen Gebäude aus hellem Holz und mit Wellblechdächern, die als Schlafsäle dienten und von übertrieben klassenbewußten Anhängern der Privatschulen seiner Meinung nach absolut zu Unrecht als Personalquartiere verspottet wurden, erinnerten ihn an seine Kindheit in einem Dorf in der Grafschaft Wiltshire. Die akkurat angelegten Rosenbeete hinter den dichten Hek-ken um die Häuser für die Lehrer und der dichte Rasen zwischen den Hockeyfeldern und den Wohnungen für die

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