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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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zurückbringen sollte, seufzte Owuor bei dem Gedanken, daß der Bwana nicht klug genug war, im Schlaf das Salz in seiner Kehle auszutrocknen. Ohne die Mem-sahib und seine Tochter machte der Bwana seine Ohren nur für das Radio frei. In den Wochen, da er dem Bwana hatte helfen wollen zu leben und nicht gewußt hatte wie, war Owuor müde geworden. Sein Rücken hatte zu schwer an der fremden Last getragen. So genoß er nun den Tag, an dem er sich nur um die kleine Memsahib zu kümmern hatte, wie ein Mann, der zu lange und zu schnell gelaufen ist und am Ziel nichts anderes tun muß, als sich unter einen Baum zu legen und den Wolken bei ihrer schönen Jagd ohne Beute zuzuschauen.
    »Es ist gut«, sagte er und bohrte mit dem linken Auge ein Loch in den Himmel.
    »Es ist gut«, wiederholte Regina und verwöhnte Owuor mit den weichen Lauten seiner Muttersprache.
    Auch sie empfand den Tag vor Jettels Rückkehr anders als alle, die gewesen waren und die noch kommen würden. Sie saß am Rande des Flachsfeldes, das seine dünne Decke aus blauen Blüten im Wind ausschüttelte, und rührte mit den Füßen im zähen, roten Schlamm. Er machte den Körper warm und trieb jene angenehme Schläfrigkeit in den Kopf, die sie sich nur dann im gleißenden Tageslicht erlauben durfte, wenn sie allein mit Owuor war. Doch war Regina immer noch wach genug, um mit halb geschlossenen Augen zu verfolgen, wie aus ihren Gedanken kleine, bunte Kreise wurden, die der Sonne entgegenflogen.
    Es war gut, daß ihr Vater schon am Tag zuvor mit Hahns nach Nakuru gefahren war. Während des großen Regens wurden die Straßen zu weichen Betten von Lehm und Wasser; aus einer Reise, die in den durstenden Monaten nur drei Stunden dauerte, wurde dann eine Safari, an der die Nacht kratzte. Mit trägen Bewegungen zog Regina ihre Bluse aus, holte eine Mango aus ihrer Hosentasche und biß hinein, doch ihr Herz schlug schnell, als ihr aufging, daß sie dabei war, das Schicksal herauszufordern. Sollte es ihr gelingen, die Mango zu essen, ohne einen Tropfen Saft zu verlieren, wollte sie dies als Zeichen sehen, daß Mungo noch an diesem Tag oder wenigstens am nächsten ein Wunder geschehen lassen würde.
    Regina war erfahren genug, dem großen unbekannten und ihr doch so vertrauten Gott nicht die Form seiner Wohltat vorzuschreiben. Sie machte ihren Kopf fügsam und verschluckte das Verlangen in ihrem Körper, doch es kostete sie zuviel Kraft, ihren Wünschen das Gesicht zu nehmen. Sie vergaß die Mango. Als sie den warmen Saft auf ihrer Brust spürte und dann auch sah, daß ihre Haut gelb wurde, wußte sie, daß Mungo sich gegen sie entschieden hatte. Er war noch nicht bereit, ihr Herz aus seinem Gefängnis zu befreien.
    Sie hörte einen kleinen jammernden Laut, der nur aus ihrem Mund stammen konnte, und schickte sofort ihre Augen zum Berg, damit Mungo ihr nicht zürnte. Regina hatte die Trauer um das verlorene Baby so wütend vertrieben wie ein Hund die Ratte, die sich an seinem vergrabenen Knochen festgebissen hat. Ratten ließen sich jedoch nie lange vertreiben. Sie kamen immer wieder. Reginas Ratte ließ sie nur manchmal am Tag, aber nachts nie vergessen, daß es auch in Zukunft sie allein war, die die hungrigen Herzen ihrer Eltern mit Stolz füttern mußte.
    Regina wußte, daß ihre Mutter anders war als die Frauen von den Hütten. Wenn bei denen ein Kind starb, war die Zeit nicht länger als zwischen der kleinen und der großen Regenzeit, ehe der Bauch wieder dick wurde. Bei dem Gedanken, wie lange es dauern würde, ehe sie sich wieder auf ein Baby freuen durfte, biß Regina fest in den Kern der Mango und lauerte auf das Knirschen im Mund. Wenn erst die Zähne schmerzten, konnte der Kopf das Böse nicht halten. Die Traurigkeit kam aber sofort zurück, als Regina an ihre Eltern dachte.
    Deren Ohren hatten keine Freude am Regen, und ihre Füße wußten nichts vom neuen Leben im Tau des Morgens. Von Sohrau sprach der Vater, wenn er mit Worten schöne Bilder malte, von Breslau die Mutter, wenn ihre Träume auf Safari gingen. Von Ol' Joro Orok, das Regina in der Schule »home« und in den Ferien »Zuhause« nannte, sahen beide nur die schwarzen Farben der Nacht und nie die Menschen, die nur beim Lachen ihre Stimme laut werden ließen.
    »Du wirst sehen«, sagte sie zu Rummler, »die machen kein neues Baby.«
    Als Reginas Stimme ihn wach machte, schüttelte der Hund sein rechtes Ohr, als hätte ihn eine Fliege gestört. Er öffnete die Schnauze so lange, daß ihm der Wind

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