Nirgendwo in Afrika
die Zähne zu kalt machte, bellte einmal und zuckte am ganzen Körper, weil ihn das Echo erschreckte.
»Du bist ein dummes Luder, Rummler«, lachte Regina, »du kannst nichts im Kopf halten.« Verlangend rieb sie ihre Nase an seinem nassen Fell, das in der Sonne dampfte, und spürte, daß sie endlich ruhig wurde.
»Owuor«, erklärte sie, »du bist klug. Es ist gut, einen feuchten Hund zu riechen, wenn man nasse Augen hat.«
»Du hast sein Fell mit den Augen naß gemacht«, sagte Owu-or. »Jetzt werden wir beide schlafen.«
Die Schatten waren so dünn und kurz wie eine junge Eidechse, als Regina am nächsten Tag die Lockrufe eines schwer atmenden Motors hörte. Sie hatte viele Stunden am Waldrand gesessen und dem Trommeln gelauscht, die Dik-Diks beobachtet und eine Affenmutter mit einem Kind unter dem Bauch beneidet. Als sie aber den ersten, noch sehr fernen Ton einfing, schaffte sie die Strecke bis zum aufgeweichten Weg doch noch rechtzeitig genug, um für das letzte Stück der Fahrt auf das Trittbrett zu springen.
Oha saß am Steuer und roch nach seinem selbstangebauten Tabak, neben ihm Jettel mit dem Duft von scharfer Krankenhausseife. Hinten saßen Lilly, Walter und Manjala, von dem sich Hahns in der Regenzeit nie trennten, weil er besser als jeder andere mit Autos umgehen konnte, die im Schlamm steckten. Der kleine weiße Pudel heulte, obwohl es nicht Abend war und Lilly noch kein Lied in der Kehle hatte.
Regina brauchte die kurze Fahrt im aufkommenden Wind, um ihre Sinne zu schärfen und die Augen an ihre Mutter zu gewöhnen. Sie erschien ihr anders als vor den Tagen, ehe die große Traurigkeit auf die Farm gekommen war. Jettel wirkte wie die schlanken, englischen Mütter, die kaum redeten und ihr Lächeln zwischen den Lippen behielten, wenn sie zu Beginn der Ferien ihre Kinder in der Schule abholten. Ihr Gesicht war rundlicher, die Augen so ruhig geworden wie die von satten Kühen. Die Haut hatte wieder den schimmernden Hauch von einer Farbe, die Regina in keiner der Sprachen beschreiben konnte, die sie kannte, obwohl sie es immer wieder versuchte.
Als der Wagen anhielt, standen Owuor und Kimani vor dem Haus. Kimani sagte nichts und bewegte auch sein Gesicht nicht, aber er roch nach frischer Freude. Owuor zeigte erst seine Zähne und rief dann: »Du Arschloch«, sehr deutlich und genau, wie es ihm der Bwana zur Begrüßung von Besuchern beigebracht hatte. Es war ein guter Zauber. Obwohl der Bwana aus Gilgil ihn kannte, lachte er laut genug für ein Echo, das nicht nur Owuors Ohren, sondern seinen ganzen Körper heiß machte.
»Du bist schön«, wunderte sich Regina. Sie küßte ihre Mutter und zeichnete mit den Fingern die Wellen in ihrem Haar nach. Jettel lächelte verlegen. Sie rieb ihre Stirn, sah scheu das Haus an, aus dem sie sich so oft fortgesehnt hatte, und fragte schließlich, immer noch befangen, jedoch ohne Zittern in der Stimme: »Bist du sehr traurig?«
»Aber nein. Weißt du, wir können ja mal ein neues Baby machen. Irgendwann«, sagte Regina und versuchte zu zwinkern, doch ihr rechtes Auge blieb zu lange offen, »wir sind ja alle noch so jung.«
»Regina so etwas darfst du Mama jetzt nicht sagen. Wir müssen beide dafür sorgen, daß sie sich erst mal erholt. Sie war sehr krank. Verdammt noch mal, ich hab's dir doch genau erklärt.«
»Laß sie nur«, widersprach Jettel, »ich weiß schon, wie sie's meint. Eines Tages machen wir ein neues Baby, Regina. Du brauchst ja ein Baby.«
»Und Gedichte«, flüsterte Regina.
»Und Gedichte«, bestätigte Jettel ernst, »du siehst, ich habe nichts vergessen.«
Das Feuer am Abend roch nach dem großen Regen, aber das Holz mußte schließlich seinen Kampf aufgeben und wurde zu einer Flamme voll Farbe und Wut. Oha hielt seine Hände vor die Glut, drehte sich plötzlich um, obwohl ihn niemand gerufen hatte, umarmte Regina und hob sie hoch.
»Wie kommt ihr beide bloß zu so einem hellsichtigen Kind?« fragte er.
Regina trank so lange die Aufmerksamkeit seiner Augen, bis sie ihre Haut warm und ihr Gesicht rot werden fühlte. »Aber«, sagte sie und zeigte zum Fenster, »es ist doch schon dunkel.«
»Bist eine kleine Kikuyu, Madamche«, erkannte Oha, »immer schön wortklauberisch. Du würdest eine schöne Juristin abgeben, aber das wird dir das Schicksal hoffentlich nicht antun.«
»Nein, nicht Kikuyu«, widersprach Regina, »ich bin Jaluo.« Sie schaute zu Owuor hin und fing den kleinen schnalzenden Ton auf, den nur sie beide hören
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