Nirgendwo in Afrika
haben. Und ein Feuer gab es auch. Ein ganz großes.«
»Aber, Regina. Das hast du doch gar nicht erlebt. Das war doch Inge. Wir waren doch damals gar nicht mehr zu Hause.«
»Laß mal«, sagte Oha. Er zog Regina zu sich heran. »Hast ganz recht, mein Mädchen. Bist die einzig Kluge in diesem Verein. Außer Owuor und den Hunden. Von Deutschland brauchst du dir wirklich nicht mehr zu merken als einen Haufen Scherben und Flammen. Und Haß.«
Regina hatte sich gerade vorgenommen, das Lob durch eine Frage zu strecken, die sie zwischen kleinen, aber doch nicht zu kurzen Pausen aus ihrem Mund lassen wollte. Da sah sie die Augen ihres Vaters. Sie waren so feucht wie die eines Hundes, der zu lange bellt und den erst Erschöpfung dazu bringt, seine Schnauze wieder zuzumachen. Rummler schrie so, wenn er mit dem Mond kämpfte. Regina hatte sich angewöhnt, ihm zu helfen, ehe die Angst seinen Körper zum Stinken brachte.
Der Gedanke, daß ihr Vater sich nicht so leicht trösten ließ wie ein Hund, schob einen Stein in Reginas Kehle, aber sie rollte ihn mit all ihrer Kraft fort. Es war gut, daß sie gelernt hatte, aus Seufzern rechtzeitig Husten zu machen.
»Deutsche darfst du nicht hassen«, sagte sie und setzte sich auf Ohas Knie, »nur Nazis. Weißt du, wenn Hitler den Krieg verloren hat, fahren wir alle nach Leobschütz.«
Es war Oha, der zu laut atmete. Obwohl Regina es nicht wollte, lachte sie, weil er so gar nichts von dem Zauber wußte, Kummer in Laute zu verwandeln, die nichts von den Dingen verrieten, die nur der eigene Kopf wissen durfte.
10
Ehe der Bwana vor vier Regenzeiten auf die Farm gekommen war, hatte Kimani kaum etwas über die Dinge erfahren, die jenseits der Hütten geschahen, in denen seine zwei Frauen, sechs Kinder und sein alter Vater lebten. Es war ihm genug gewesen, über Flachs, Pyrethrum und die Bedürfnisse seiner Schambaboys Bescheid zu wissen, für die er verantwortlich war. Die Mesungu mit den hellen Haaren und der sehr weißen Haut, denen Kimani vor diesem schwarzhaarigen Bwana aus dem fremden Land begegnet war, lebten alle in Nairobi. Sie hatten mit ihm nur über neu anzulegende Felder und Holz für die Hütten, den Regen, die Ernten und das Geld für die Löhne gesprochen. Wenn sie auf ihre Farmen kamen, gingen sie jeden Tag auf die Jagd und verschwanden, ohne Kwaheri zu sagen.
Der Bwana, der aus Worten Bilder machte, war nicht wie sie, die nur ihre eigene Sprache kannten und jene Brocken Suaheli, die sie brauchten und die sie mit einer Zunge laut werden ließen, die zwischen den Zähnen stolperte. Mit dem Bwa-na, der ihm nun viele von den hellen Stunden des Tages schenkte, konnte Kimani besser reden als mit seinen Brüdern. Der war ein Mann, der sehr oft seine Augen schlafen ließ, auch wenn sie offen waren. Er nutzte lieber Ohren und Mund.
Mit den Ohren fing er die Spuren für den Weg auf, den Ki-mani zuvor noch nie gegangen war und nach dem es ihn jeden Tag aufs neue verlangte. Ließ der Bwana sein Kinanda reden, hatte er die Geschicklichkeit eines Hundes, der am stillen Tag jene geheimnisvollen Töne herbeiholt, die Menschen nicht hören können. Anders aber als ein Hund, der Laute ebenso für sich behält wie einen vergrabenen Knochen, teilte der Bwana mit Kimani die Freude an den Schauris, die er aufspürte.
Im Lauf der Zeit hatte sich eine Gewohnheit entwickelt, auf die ebensoviel Verlaß war wie auf die Sonne eines Tages und den Topf mit dem warmen Poscho am Abend. Nach dem morgendlichen Rundgang um die Schambas setzten sich beide Männer, ohne daß sie deshalb nur den Mund aufzumachen brauchten, an den Rand des größten Flachsfeldes und ließen den blendend weißen, hohen Hut vom großen Berg mit ihren Augen spielen. Sobald das lange Schweigen Kimani schläfrig machte, wußte er, daß der Bwana dabei war, seinen Kopf auf die große Safari zu schicken.
Es war gut, still dazusitzen und die Sonne zu schlucken; noch besser war es, wenn der Bwana von den Dingen berichtete, die ein Zittern, leicht wie die Tropfen in der letzten Stunde des Tages, zwischen seine Finger schob. Dann hatten die Gespräche einen so großen Zauber wie die verdurstete Erde nach der ersten Nacht des großen Regens. In solchen Stunden, nach denen sich Kimani mehr sehnte als nach Essen für den Bauch und Wärme für seine schmerzenden Knochen, stellte er sich vor, daß Bäume, Pflanzen und selbst die Zeit, die sich nicht berühren ließ, Pfefferbeeren gekaut hätten, damit ein Mann sie besser auf der Zunge
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