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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Ballkleid sah. Quadrate aus Taft, gelb, violett und grün wie das Moos im kleinen Stadtwald von  Neiße, tanzten in seinem Kopf, während er gegen Zorn und Hilflosigkeit kämpfte und wütend die Wehmut umbrachte.
    »Komm«, sagte er sanft und gab Jettel einen Kuß, »jetzt erzählst du mir erst einmal alles von meiner besten Freundin. Ich wette, daß Regina eine prima Schülerin geworden ist. Und morgen fahren wir im Jeep durchs Land.«
    »Enemy Aliens brauchen ein Permit, um die Farm zu verlassen.«
    »Nicht, wenn ein Sergeant Seiner Königlichen Majestät am Steuer ist«, lachte Martin.
    Die erste Fahrt mit Walter und Jettel neben Martin, Owuor und Rummler hinten, ging nur bis zu Patels Duka. Sie wurde dank Martins ungebrochenem Talent, aus einem kleinen Kampf einen großen Krieg zu machen, die schöne Rache für all die kleinen Pfeile, die Patel im Laufe von vier Jahren aus seinem stets gefüllten Köcher auf Menschen abgeschossen hatte, die sich nicht gegen ihn zu wehren wußten.
    Der Krieg und die damit verbundenen Schwierigkeiten, jedes Jahr einen anderen Sohn nach Kenia zu holen und an seiner Statt einen in die Heimat nach Indien zurückzuschicken, hatten Patel noch menschenverachtender gemacht, als er ohnehin war. Die Refugees von den Farmen, die alle so sehr viel besser Suaheli als Englisch und also schlecht mit ihm reden konnten, waren für Patel das immer willkommene Ventil, seinen Mißmut abzureagieren.
    Er hielt sie so knapp mit allem, was sie brauchten, daß er einen eigenen Schwarzmarkt entwickelte. Walter und mehrere Farmangestellte aus Ol' Kalou mußten den doppelten Preis für Mehl, Büchsenfleisch, Reis, Puddingpulver, Rosinen, Gewürze, Kleiderstoffe, Kurzwaren und vor allem Paraffin bezahlen. Obwohl solche Preistreibereien offiziell verboten waren, konnte Patel im Falle der Refugees mit der Duldung der Behörden rechnen. Für sie waren solche Schikanen harmlos und entspra-chen ganz ihren patriotischen Gefühlen und der Fremdenfeindlichkeit, die sich mit jedem Kriegsjahr verstärkte.
    Martin erfuhr erst auf dem Weg zu Patel von den Entbehrungen und Demütigungen. Er hielt vor dem letzten, dichten Maulbeerstrauch an, schickte Walter und Jettel allein in den Laden und blieb mit Owuor zurück im Jeep. Später konnte Pa-tel es sich nie verzeihen, daß er die Lage verkannt hatte und ihm nicht sofort aufgegangen war, daß die abgebrannten Schlucker von der Gibson-Farm nur dann in seinen Laden kommen konnten, wenn sie in Begleitung waren.
    Patel las erst einen Brief zu Ende, ehe er Walter und Jettel anschaute. Er fragte nicht nach ihren Wünschen, sondern legte ihnen schweigend Mehl mit Spuren von Mäusedreck, verbeulte Dosen von Büchsenfleisch und feucht gewordenen Reis vor und machte, als er glaubte, das übliche betretene Zögern seiner Kunden zu merken, seine gewohnte Handbewegung.
    »Take it or leave it«, höhnte er.
    »You bloody fuckin' Indian«, schrie Martin an der Tür, »you damn'd son of a bitch.« Er machte einige Schritte durch den kleinen Raum und warf gleichzeitig das Dosenfleisch und den Sack mit dem Reis vom Tisch. Dann spuckte er alle Flüche aus, die er seit seiner Ankunft in England und vor allem beim Militär gelernt hatte. Walter und Jettel verstanden ebensowenig wie Owuor, der im Eingang des Ladens stand, doch Pateis Gesicht reichte allen. Aus dem mürrischen, sadistischen Diktator wurde, wie Owuor noch am selben Abend und immer wieder in den Hütten berichtete, ein jaulender Hund.
    Patel wußte zu wenig über das britische Militär Bescheid, um die Situation auch nur annähernd richtig einzuschätzen. Er hielt Martin mit den drei Streifen eines Sergeants für einen Offizier und war klug genug, keine Diskussion zu riskieren. Auf keinen Fall hatte er vor, es nur wegen ein paar Pfund Reis oder einigen Dosen Corned beef mit der gesamten alliierten  Streitmacht zu verderben. Unaufgefordert holte er aus dem durch einen Vorhang abgetrennten Nebenraum einwandfreie Nahrungsmittel, drei große Eimer Paraffin und zwei Ballen Stoff, die erst am Vortag aus Nairobi eingetroffen waren. Stotternd legte er noch vier Ledergürtel auf den Stapel.
    »Ins Auto damit«, befahl Martin im gleichen Tonfall, in dem er als Sechsjähriger die polnischen Dienstmädchen herumkommandiert und dafür von seinem Vater Ohrfeigen bekommen hatte. Patel war so verängstigt, daß er die Waren selbst zum Jeep trug. Owuor spazierte vor ihm her mit dem Stock in der Hand, als sei Patel, der verkommene Sohn einer

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