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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Erfordernisse einer neuen Zeit. Es waren nicht mehr Regierungsbeamte mit nostalgischen Träumen von der alten Heimat und auch nicht Safarigäste mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Eleganz und Komfort vor dem Aufbruch ins große Abenteuer, die untergebracht werden wollten, sondern Flüchtlinge aus Europa. Mit denen, fand Malan, der sein Vermögen einem ausgeprägten Instinkt für die Tiefpunkte des Lebens verdankte, war gut umgehen. Sie mußten neue Existenzen gründen und waren in ihrem Fleiß und Eifer so sparsam und anspruchslos wie seine eigenen Landsleute, die in Kenia einen neuen Anfang wagten.
    Flüchtlingen, die sich Wehmut nicht leisten konnten, war mit niedrigen Preisen weit mehr gedient als mit der Tradition alter englischer Landhäuser. Schon Mitte der dreißiger Jahre, als die ersten Einwanderer vom Kontinent ins Land gekommen waren, ließ Malan die großen Zimmer in kleine Flats verwandeln. Er baute die Gesellschaftsräume sowie die kleinen Küchen und Bäder zu Einzelzimmern mit Waschtischen hinter einem Vorhang um, installierte Gemeinschaftstoiletten und ließ in der freien Fläche hinter dem großen Garten nur die kleinen, schmuddeligen Hütten mit Wellblechdächern für das schwarze Personal im ursprünglichen Zustand. Diese einzige Rücksicht auf die Landessitten erwies sich bald als ein besonders kluger Schachzug.
    Waren Malans Mieter auch von einer für Weiße unüblichen Armut und Bescheidenheit, und wohnten sie fast so primitiv und ebenso beengt wie seine Verwandten in Bombay, so konnten sie sich dank seines psychologisch gut durchdachten Coups doch das für die weiße Oberschicht laut ungeschriebenem Gesetz vorgeschriebene Personal leisten und damit die Illusion, sie wären auf dem Weg zur Integration und hätten den gleichen Lebensstandard wie die reichen Engländer in den Häusern am Rande der Stadt. Wer nach einer Zeit bangen Wartens und oft auch nach Zuzahlung einer hohen Summe zur ersten fälligen Miete im Hove Court unterkam, richtete sich auf Dauer ein. Manche Familien wohnten schon jahrelang dort.
    Mr. Malan hatte wenig Ahnung von der Geographie Europas und auch nicht die Vorurteile, die einem Mann mit seinem Vermögen zustanden; es war nur so, daß er bei der Wahl seiner  Mieter die Refugees aus Deutschland bevorzugte. Sie waren viel kleinlauter als beispielsweise die selbstbewußten Österreicher, sauberer als die Polen, vor allem pünktliche Zahler, zogen kein gequältes Gesicht, wie die arroganten einheimischen Weißen, wenn sie seinen Akzent hörten; selbstverständlich neigten sie wegen ihrer Sprachschwierigkeiten nicht zu Widerworten, die Malan verabscheute.
    Er war dahintergekommen, daß die Deutschen, gegen die er im übrigen auch nach Ausbruch des Kriegs schon deshalb nichts hatte, weil er ja selbst die Engländer haßte, Angst vor Veränderungen hatten und noch lieber als die meisten Menschen unter Ihresgleichen leben wollten. Das kam ihm entgegen. Ein schneller Wechsel im Hove Court und die dann nicht zu umgehenden Renovierungen hätten ihn nur finanziell strapaziert. So aber nahmen jedes Jahr sein Bankkonto und sein Ansehen zu - dies auch außerhalb der kleinen Gruppe indischer Geschäftsleute, und es beunruhigte ihn nicht im mindesten, daß sein prosperierender Besitz mit völlig anderen Maßstäben gemessen werden mußte als die feinen Hotels der Stadt.
    Malan ließ sich dreimal in der Woche im Hove Court sehen - hauptsächlich, um Menschen mit Klagen klarzumachen, daß sie nun in einem freien Land lebten und das Recht hätten, jederzeit bei ihm aus- und woanders hinzuziehen. Um die Hierarchie im Hove Court kümmerte er sich nicht. Im schönsten Flat mit einem verästelten Eukalyptusbaum vor dem Fenster und einem winzigen Garten mit blutroten, vanillegelben und rosa Nelken wohnten die alte Mrs. Clavy und ihr betagter Hund Tiger, ein brauner Boxer mit einer Abneigung gegen zu harte deutsche Laute. Mrs. Clavy selbst, deren Bräutigam sechs Wochen nach seiner Ankunft in Nairobi und lange vor dem Ersten Weltkrieg an Malaria gestorben war, galt hingegen als freundlich. Sie maß Kinder nicht an ihrer Muttersprache und lächelte sie ohne irgendwelche Einschränkungen an.
    Lydia Taylor, einst Kellnerin im Londoner Savoy, war die zweite Engländerin, die das Leben in der Gemeinschaft von fremdsprachigen Menschen mit einer Gelassenheit ertrug, die von den Refugees als keineswegs selbstverständlich empfunden wurde. Ihr dritter Mann war Captain und nicht gewillt, für sie und

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