Nirgendwo in Afrika
sagte er leise und streichelte den Hund.
Owuor schluckte Zufriedenheit. Er hatte sich schon seit einiger Zeit eine Memsahib gewünscht, die wie ein Kind war, so wie er es bei Chepoi sah, wenn der Diana aus den Krallen der Angst holte und dann Stolz sein Gesicht glatt und groß machte. Für Owuor war es aufregend, in Nairobi zu leben, doch er hatte oft volle Augen, aber einen leeren Kopf. Zu selten kitzelten die Scherze vom Bwana seine Kehle, und in ihren Ferien redete und lachte die kleine Memsahib zu viel mit Chepoi. Owuor kam sich wie ein Krieger vor, den man in die Schlacht geschickt, ihm aber die Waffen gestohlen hat.
Wenn er sah, wie Chepoi seine Memsahib durch den Garten trug, verbrannte ihn gelbes Feuer mit grellzuckendem Blitz. Der Neid verwirrte ihn. Es war nicht so, daß er Jettel betrunken oder halb angezogen und mit Augen, die nichts mehr halten konnten, unter einem Baum liegen sehen wollte, und bestimmt hätte der Bwana das auch wie einen Schlag empfunden, der einen Baum fällt. Ein Mann wie Owuor aber mußte seine Stärke immer wieder fühlen, wenn er nicht einer sein wollte wie andere auch.
Jettel lag auf dem Bett in dem Kleid, das die Farbe vom Himmel und der Sonne heruntergeholt hatte, und sie sah auch aus wie das Kind, das sich Owuor wünschte, und doch kratzte die Unruhe mit scharfen Krallen an seinem Kopf. Der rotgemalte Mund der Memsahib war wie der blutige Schaum vor dem Maul einer jungen Gazelle, die sich nach einem tödlichen Biß im Nacken noch einmal aufrichtet. Die Angst, die dem leblosen Körper auf dem Bett entströmte, roch wie die letzte Milch einer vergifteten Kuh. Als Owuor das Fenster öffnete, stöhnte Jettel.
»Owuor. Ich wollte nie mehr weinen.«
»Nur Tiere weinen nicht.«
»Warum bin ich kein Tier?«
»Mungo fragt uns nicht, was wir sein wollen, Memsahib.«
Owuors Stimme war ruhig und so voller Anteilnahme und Sicherheit, daß Jettel sich aufrichtete, und, ohne daß er etwas sagte, das Glas Wasser austrank, das er ihr hinhielt. Er schob ein Kissen hinter ihren Rücken und berührte dabei ihre Haut. In dem kurzen Augenblick der Gnade war es Jettel, als hätten seine kühlen Finger mit einem einzigen Griff in ihr alle Scham und Verzweiflung ausgelöscht, aber die Erlösung hielt nicht an. Die Bilder, die sie nicht sehen, die Worte, die sie nicht hören wollte, bedrängten sie eindringlicher als zuvor.
»Owuor«, stieß sie hervor, »es ist das Kleid. Der Bwana hat recht gehabt. Es ist nicht gut. Weißt du, was er sagte, als er es zum erstenmal sah?«
»Er sah aus wie ein Löwe, der die Spur seiner Beute verloren
hat«, lachte Owuor.
»Das weißt du noch?«
»Es war lange vor dem Tag, als die Heuschrecken nach Rongai kamen. Es waren«, erinnerte sich Owuor, »die Tage, als der Bwana noch nicht wußte, daß ich klug bin.«
»Du bist ein kluger Mann, Owuor.«
Owuor nahm sich nur die Zeit, die ein Mann brauchte, um die schönen Worte in seinem Kopf zu verschließen. Dann machte er das Fenster zu, zog den Vorhang davor, streichelte nochmals den schlafenden Hund und sagte: »Zieh das Kleid aus, Memsahib.«
»Warum?«
»Du hast es doch gesagt. Es ist kein gutes Kleid.«
Jettel ließ es zu, daß Owuor die vielen kleinen Knöpfe im Rücken aufmachte, und sie ließ es auch zu, daß sie wieder seine Berührung als angenehm und ihn selbst als die Kraft empfand, die ihr Rettung brachte. Sie spürte seinen Blick und wußte, daß die Intimität der noch nie dagewesenen Situation sie hätte unsicher machen müssen, aber sie fühlte nichts als die angenehme Wärme, die von ihren zur Ruhe gekommenen Nerven ausging. In Owuors Augen war die gleiche Sanftheit wie an dem Tag vor vielen Jahren, als er in Rongai Regina aus dem Auto geholt, sie an seinen Körper gedrückt und für immer verzaubert hatte.
»Hast du gehört, Owuor?« fragte Jettel und wunderte sich, daß sie flüsterte, »der Krieg ist aus.«
»In der Stadt sagen es alle. Aber es ist nicht unser Krieg, Memsahib.«
»Nein, Owuor, es war mein Krieg. Wo willst du hin?«
»Zur Memsahib monenu mingi«, kicherte Owuor, denn er wußte, daß Jettel immer lachte, wenn er Elsa Conrad so nannte, weil sie mehr redete, als das größte Ohr fassen konnte. »Ich gehe ihr sagen, du kommst heute nicht zur Arbeit.«
»Aber das geht nicht. Ich muß arbeiten.«
»Erst muß der Krieg in deinem Kopf zu Ende sein«, erkannte Owuor, »der Bwana sagt auch immer: Erst muß der Krieg zu Ende sein. Kommt er heute noch zu uns?«
»Nein. Erst
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