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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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nächste Woche.«
    »War es nicht sein Krieg?« fragte Owuor und gab der Tür einen kleinen Tritt. Für ihn waren Tage ohne den Bwana wie Nächte ohne Frauen.
    »Es war sein Krieg, Owuor. Komm schnell zurück. Ich will nicht allein sein.«
    »Ich paß auf dich auf, Memsahib, bis er kommt.«
    Walters Krieg im Kopf brach in der friedvollen Landschaft vom Ngong aus, als er am wenigsten mit einem Aufruhr rechnete. Um vier Uhr nachmittags stand er am Fenster seines Schlafraums und sah ohne Wehmut zu, wie der größte Teil der Tenth Unit des Royal East Africa Corps die Jeeps bestieg, um den Sieg im nahen Nairobi zu begießen. Er hatte sich freiwillig zum Nachtdienst gemeldet und war von den hochgestimmten Soldaten seiner Einheit und selbst von Lieutenant McCall, einem wortkargen Schotten, kurz und heftig als »a jolly good chap« gefeiert worden.
    Walter war nicht nach Feiern zumute. Die Nachricht von der Kapitulation hatte in ihm weder Jubel noch ein Gefühl der Befreiung erweckt. Ihn quälte die Widersprüchlichkeit seiner Gefühle, die er als besonders boshafte Ironie der Geschichte empfand, und er wurde im Laufe des Tages so niedergeschlagen, als sei sein Schicksal mit dem Kriegsende besiegelt. Er empfand es als typisch für seine Situation, daß der Verzicht auf eine Nacht außerhalb der Baracken für ihn kein Opfer war. Das Bedürfnis, an dem Tag allein zu sein, der anderen so viel bedeutete und ihm nicht genug, war zu groß, um es gegen die Unannehmlichkeiten eines unangemeldeten Besuchs bei Jettel einzutauschen.
    Kurz nachdem er in den Ngong versetzt worden war und sie begonnen hatte, im Horse Shoe zu arbeiten, war Walter klargeworden, daß sich in seiner Ehe Veränderungen abzeichneten. Jettel, die ihm noch liebevolle und manchmal auch sehnsüchtige Briefe nach Nakuru geschrieben hatte, lag in Nairobi nichts mehr an seinem unerwarteten Erscheinen. Er verstand sie. Ein Ehemann mit Corporalsstreifen am Ärmel, der mißmutig und stumm an der Theke saß, während seine Frau arbeitete, paßte nicht in das Leben einer Frau mit einem Schwarm von gut aufgelegten Kavalieren in Offiziersuniform.
    Paradoxerweise hatte ihn die Eifersucht zunächst eher belebt als gequält. Auf eine sanfte, romantische Art hatte sie ihn an seine Studentenzeit erinnert. In der allzu kurzen Schonfrist war Jettel wieder die Fünfzehnjährige im lilagrün karierten Ballkleid, ein schöner Schmetterling auf der Suche nach Bewunderung; er war noch einmal neunzehn, im ersten Semester und optimistisch genug zu glauben, daß das Leben irgendwann auch die Geduldigen bedenken würde. In der Eintönigkeit militärischer Routine und erst recht durch die Erfahrungen in der Freizeit verwandelte sich indes die nostalgische Eifersucht mit den verklärten und gefälligen Bildern aus Breslau in die Dumpfheit Afrikas. Seine Überempfindlichkeit, von der er geglaubt hatte, die Jahre in der Emigration hätten sie ebenso zerfressen wie die Träume von besseren Tagen, regte sich wieder.
    Wenn Walter im Horse Shoe warten mußte, bis Jettel mit der Arbeit fertig war, spürte er ihre Nervosität und witterte Ablehnung. Noch mehr verletzten ihn die hochmütigen und argwöhnischen Blicke von Mrs. Lyons, die private Besuche bei ihren Angestellten mißbilligte und mit zuckenden Augenbrauen jedes Eis mitzuzählen schien, das Jettel ihrem Mann hinstellte, um ihn bei Laune und still zu halten, bis sie beide nach Hause konnten.
    Schon der Gedanke an Mrs. Lyons und ihren Horse Shoe und die Stimmung dort am Abend des Kriegsendes erweckten bei Walter jenes Bedürfnis nach Streit und Flucht, das seinem Stolz scharfe Hiebe versetzte. Wütend schlug er das kleine Fenster im Schlafraum zu. Eine Weile starrte er noch durch die Scheibe mit den toten Fliegen und überlegte angewidert, wie er gleichzeitig die Zeit, sein Mißtrauen und die ersten Anflüge von Pessimismus totschlagen könnte. Er war zufrieden, als ihm einfiel, daß er seit Tagen keine deutschsprachigen Nachrichten gehört hatte und daß die Gelegenheit günstig für einen neuen Versuch war. Die Mannschaftsmesse mit dem ausgezeichneten Radio würde leer sein. Es würde also keinen Sturm geben, wenn das Gerät feindliche Laute ausstieß und dazu noch am Abend des großen Siegs.
    Es waren die wenigen Refugees in Walters Einheit, die bei deutschsprachigen Sendungen am lautesten protestierten, während die Engländer sich nur selten aus der Ruhe bringen ließen. Meistens erkannten sie ohnehin nicht, welche Sprache sie überhaupt

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