Nixenblut
the sweet dark too,
yeah the sweet dark too …
Das ist die Sorte von Liedern, die Leute in Mums Alter mögen. Ihr Gesicht ist sanft und träumerisch, während sie zuhört. Der Dampf brodelt, als sie das Bügeleisen anhebt. Dann lächelt sie mir zu.
»Hallo, Mum. Wow, ist der Erdbeerkuchen für uns?«
Mum bringt manchmal übrig gebliebene Lebensmittel aus dem Restaurant mit nach Hause. Doch dies ist etwas Besonderes. Ein großer Kuchen voll von leuchtenden, reifen Erdbeeren, mit Gelee überzogen.
Nur ein Viertel fehlt.
»Du kannst ruhig ein Stück zum Frühstück essen, wenn du magst, Sapphy.«
»Zum Frühstück?« Ich starre Mum ungläubig an. Irgendwas an ihr ist total verändert heute Morgen, aber ich kriege
nicht heraus, was es ist. Schnell, bevor sie es sich anders überlegt, teile ich den Erdbeerkuchen in drei Stücke.
»Mmh, lecker«, nuschele ich beim Kauen.
»Sprich nicht mit vollem Mund!«, sagt Mum, die jetzt wieder so klingt wie immer. Aber sie sieht anders aus als sonst. Was ist passiert?
Dann sehe ich, was passiert ist. Die vielen Furchen um ihren Mund sind verschwunden. Sie trägt ihre Lieblingsjeans und ein rosafarbenes Oberteil. Sie sieht glücklich aus. Ich schlucke den Rest des Kuchens herunter und frage: »Hast du gestern viel Trinkgeld bekommen?«
»Hm.« Sie schüttelt ihr Kleid und hängt es auf einen Bügel. »Ganz normal.«
Das ist es also nicht.
Mein Herz macht einen Sprung. Jetzt weiß ich, was los ist. »Hast du Neuigkeiten von Dad?«
Mums Gesichtsausdruck verändert sich. »Sapphire, wenn es etwas Neues gäbe, dann hätte ich dir sofort davon erzählt. Das würde ich dir doch nicht verschweigen. Aber es gibt nichts Neues. Außerdem…«
»Was, Mum?«
Sie scheint mit sich zu kämpfen. »Selbst wenn es Neuigkeiten gäbe, selbst wenn sie … irgendwas … gefunden hätten, dann wären es keine guten Nachrichten. Das weißt du doch, oder? Deshalb hatten wir diesen Gedenkgottesdienst. «
»Du meinst also, ich soll Dad einfach vergessen?«
»Nein, das würde ich nie im Leben von dir verlangen. Aber du bist kein Baby mehr, Sapphy. Du kannst dich nicht ständig in einer Traumwelt bewegen. Das ist nicht gut für dich.«
Sie fängt wieder an zu bügeln. Das Thema Dad ist beendet. Ich wünschte, ich hätte nichts gesagt. Die Furchen um Mums Mund sind wieder da. Leise mache ich mir eine Tasse Tee und beginne mit dem Abwasch des gestrigen Tages. Nach einer Weile sagt Mum: »Rat mal, wer gestern bei uns im Restaurant war.«
»Keine Ahnung«, sage ich uninteressiert, aber das kann Mum nicht aufhalten.
»Eine Gruppe von Tauchern. Sie tauchen nach Schiffswracks in dieser Gegend. Vielleicht schauen sie am Wochenende mal bei uns vorbei.«
»Aha?«
»Du glaubst ja gar nicht, wie viele Wracks es gibt, die nie untersucht wurden.«
»Ich weiß, Dad hat uns davon erzählt. Es gibt…«
»Dein Vater hat nie getaucht«, sagt Mum. »Also dieser Roger – das ist einer der Taucher –, der ist schon in allen Teilen der Welt gewesen. Er hat mir davon erzählt. Sie haben Sonargeräte und so was. Er hat schon Wracks in der Karibik und vor der spanischen Küste und an tausend anderen Orten aufgespürt. Schon als Junge hat ihn dieses Thema interessiert. Im Fernsehen hat er gesehen, wie sie die Mary Rose gehoben haben, ein Schiff aus der Tudorzeit. Da hat er sich entschieden, Taucher zu werden.« Das Bügeleisen zischt, als Mum eins von Conors Hemden in Angriff nimmt. »Er war eben sehr ehrgeizig«, fährt sie fort. »Er wusste, was er mit seinem Leben anfangen wollte, anstatt in den Tag hineinzuleben.«
»Dad hat nicht in den Tag hineingelebt!«
Mum dreht sich mit dem Bügeleisen in der Hand zu mir um.
»Das habe ich auch nie behauptet. Ich habe von Roger gesprochen. Ich wünschte wirklich, du wärst weniger empfindlich, Sapphy. Wie auch immer, Roger hat mir erzählt, wie sie an dieser Küste hier vorgehen wollen.«
»Du hast ihm doch nicht von unserer Bucht erzählt, oder?«
»Mein Gott, Sapphire. Das ist doch nicht unsere Privatbucht. Von hier aus gibt es einen öffentlichen Fußweg dorthin. «
»Ich weiß, aber außer uns und ein paar anderen Leuten aus dieser Gegend benutzt den keiner. Normalerweise sind Conor und ich die Einzigen, die sich in der Bucht aufhalten. «
»Das ist ja das Problem«, murmelt Mum und zieht das zischende Bügeleisen an den Nähten entlang, »dass hier keiner hinkommt. Also meinetwegen sind sie in der Bucht genauso willkommen wie bei uns zu Hause. Es tut
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