Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
Vom Netzwerk:
mich verstanden haben. Mer, denke ich. Du musst mer zu ihnen sprechen . Ich öffne meinen Mund und lasse das kühle, süße Meerwasser in mich eindringen. Das Wasser strömt aus meinem Mund und formt seine eigenen Worte.
    »Das tun wir«, sagt die Robbe, die mir am nächsten ist. Ihre Stimme ist rau und klingt wie die Flut, wenn sie den Kiesstrand überspült. Ich spüre ihren Atem an meinem Ohr. Im nächsten Moment ist sie mit ihrem Partner verschwunden. Ich tauche an die Oberfläche, durchstoße die Wasserhaut und bin an der Luft.

    Es tut gar nicht weh. Es ist so, als stiege ich aus dem Boot, nachdem ich stundenlang mit Dad auf See war. Der Boden schwankt unter meinen Füßen, als würde sich immer noch das Wasser unter mir bewegen. Es ist schwer, die Balance zu halten. Dad sagt, das liegt daran, dass sich die »Seebeine« nicht sofort wieder in »Landbeine« verwandeln. Doch irgendwann hört der Boden auf, sich zu bewegen, und man ist wieder zu Hause.
    Ich bin zurück an der Luft. Ich wate durch das seichte Wasser, gehe über den Strand, den Steinen am Ende der Bucht entgegen, und klettere über sie hinweg. Es ist ein
perfekter Tag, heiß und still, von Nebel keine Spur. Der Sand unter meinen Füßen ist warm.
    Ich klettere langsam über die Felsen. Meine Beine sind müde. Der raue, trockene Fels unter meinen Händen kommt mir seltsam vor. Ich bin immer noch an die Beschaffenheit von Indigo gewöhnt. Meine Arme und Beine fühlen sich viel zu leicht an, jetzt, da kein Wasserdruck mehr auf ihnen lastet.
    Ich zwänge mich durch den Spalt zwischen den beiden Felsblöcken und hieve mich empor, bis ich auf dem grasüberwachsenen Felsvorsprung stehe.
    Conor.
    Dort sitzt er und wartet. Er ist blass. Unter seinen Augen sind dunkle Schatten. Als er mich sieht, springt er auf. Er sieht geschockt aus, als könne er nicht glauben, dass ich es bin. Er packt mich am Arm und zieht mich aufs Gras. Er umarmt mich so fest, dass es wehtut. Für einen Moment habe ich Angst. Conor sieht unglaublich wütend aus. Ich habe sogar kurz geglaubt, er wolle mich schlagen. Aber natürlich tut er das nicht. Dafür starrt er mich unentwegt an, als hätte er mich seit Jahren nicht gesehen. Er mustert mein Gesicht, als suche er etwas.
    »Saph«, sagt er leise, als könne er immer noch nicht glauben, dass ich es bin. Er schüttelt mich sanft, so wie er das immer tut, wenn er mich an einem Schultag weckt.
    »Wo bist du gewesen, Saph? Ich habe stundenlang auf dich gewartet. Ich dachte schon, du würdest nie mehr zurückkommen. «
    »Wieso zurückkommen?«
    »Du weißt genau, was ich meine!«, schreit er mich an. »Mir kannst du nichts vormachen. Ich weiß, wo du gewesen
bist. Du bist fast vierundzwanzig Stunden fort gewesen. Mum wäre verrückt geworden, wenn sie es gemerkt hätte. Aber ihr Auto hat gestreikt, deshalb ist sie über Nacht in St Pirans geblieben. Sie hat Mary angerufen, damit sie nach uns sieht. Ich habe für dich gelogen. Ich habe gesagt, du wärst im Badezimmer. Dann bin ich hierher gekommen und habe nach dir gesucht. Die ganze Nacht habe ich gewartet. «
    Ich blicke mich um. Dort sind Conors Schlafsack und seine Taschenlampe, ein Riegel KitKat und eine Wasserflasche. Könnte er… die Wahrheit gesagt haben?
    »Vierundzwanzig Stunden«, wiederhole ich langsam. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich Conor mit dem Mädchen auf dem Felsen gesehen habe. Conor meinte, er hätte gerade erst den Schuppen ausgemistet, dabei war es schon Abend geworden. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, weil er in Indigo gewesen war. So wie ich. Die Zeit in Indigo ist also anders als unsere Zeit.
    »Wenn ich wirklich vierundzwanzig Stunden fort war, dann muss die Zeit in Indigo schneller vergehen«, denke ich laut.
    »Pst! Spricht nicht darüber!«, zischt Conor.
    »Warum? Hier ist doch niemand außer uns.«
    Conor blickt sich misstrauisch um, als würde das Gras lauschen. Eine Silbermöwe setzt zum Sturzflug an und schreit über unseren Köpfen. Alles klingt schrill und hohl, seit ich wieder an Land bin.
    »Man weiß nie, wer zuhört«, flüstert er.
    »Aber Faro hat gesagt, dass du auch in Indigo warst, zur selben Zeit wie ich. Er sagte, Elvira und du hättet mit den Sonnenfischen gesprochen.«

    »Ich hab nicht mit ihnen gesprochen, und ich weiß auch nicht, wo Elvira war.«
    »Aber das war erst vor kurzer Zeit. Wie konntest du denn in Indigo sein und zur selben Zeit hier auf mich warten?«
    Conor pflückt einen Grashalm und knabbert

Weitere Kostenlose Bücher